Mathias John vom Jugendtreff, Hans-Peter Wöhrle und Elke Erdmann aus Schiltach in ihren Nachtwanderer-Jacken (von links) Foto: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Unterwegs in "kritischen" Nächten / Helfen und Begleiten

Von Johannes Fritsche

Schiltach. Seit mehr als zwei Jahren tragen die Nachtwanderer dazu bei, dass Schiltach ein ruhiger und eher ungefährlicher Ort für Jugendliche bleibt.

Freitagabend, noch 25 Grad Celsius Außentemperatur um 22 Uhr, ideal für Jugendliche, die Nacht draußen zu verbringen. Zeit für die Nachtwanderer, ihre Tour vorbei an den typischen Treffpunkten zu machen. Heute treffen sich Mathias John vom Jugendbüro, Hans-Peter Wöhrle und Elke Erdmann, beide aus Schiltach, eine halbe Stunde, bevor es losgeht, im Jugendtreff in der Schillerstraße zur Einsatzbesprechung: Die Route durch die dunkelsten Ecken der Stadt wird festgelegt und wer an diesem Abend die Gruppenleitung übernimmt: Bei kritischen Situationen sollen Entscheidungen schnell getroffen werden können. Was allerdings noch nie eintrat: "Polizei und Krankenwagen waren bisher noch nicht erforderlich", berichtet John.

Nachtwanderer wie die drei sind ehrenamtlich engagierte Erwachsene, die in den "kritischen" Nächten in ihrer Stadt unterwegs sind. Für Erdmann ist es die zweite Tour, für Wöhrle die vierte. Ausgestattet mit Taschenlampen, Notfall-Set für die Erste Hilfe und einer "Nachtwanderer"-Jacke machen sie sich auf den Weg, um Jugendliche und andere Erwachsene sicher durch die Nacht zu begleiten.

Die Nachtwanderer-Idee stammt ursprünglich aus Schweden, in Schiltach hat der frühere Stadtrat Alexander Fix im Jahr 2013 das Projekt initiiert, Bürgermeister Thomas Haas ist der Schirmherr. Neben dem Schriftzug "Nachtwanderer" zieren eine Mondsichel und das Schiltacher Stadtwappen die Jacken. Wie immer geht die Gruppe vor dem Start ihr selbst aufgestelltes Regelwerk durch: "Die Gruppenleitung wird akzeptiert, wir gefährden uns nicht, Ziel ist gegenseitiges Vertrauen, alles bleibt in der Gruppe (Schweigepflicht), wir sind clean (kein Alkohol oder andere Suchtmittel)."

An diesem Freitagabend führt die Route zunächst über den Schulhof der Grundschule, früher ein Treffpunkt der Jugendlichen. Dann geht es um die evangelische Kirche herum, weiter zur Kinzig. Dort über die Brücke, am Campingplatz und an der Bahnhaltestelle Schiltach Mitte vorbei, dann den Wald hoch bis zum Häberlesberg, begleitet von Wetterleuchten und vielen Glühwürmchen, wieder runter zum Waldspielplatz – ohne Taschenlampe ginge gar nichts –, wo es auch eine Feuerstelle gibt. "Dort war immer mal Remmi-Demmi, ist aber höchstens mal Holz weggekommen, was die Nachbarn dort geärgert hat", erzählen die drei.

100 Meter weiter stoßen sie plötzlich auf einen Mann im Gebüsch. Er soll Kinder einer Nachtwanderung erschrecken, erzählt er. Man kann sie schon von weiter weg hören. Dann führt die Route runter bis zur Avia-Tankstelle (alles normal dort) und an weitere bekannte Stellen. Eine ruhige Nacht.

Die Jugendarbeit ist eine freiwillige, nicht gesetzlich verordnete Leistung der Stadt Schiltach, erläutert John: "Die Triebfeder ist helfen wollen und können, die Schiltacher überlassen ihre Kinder und Jugendlichen nicht sich selbst, sondern kümmern sich."

In Zukunft wollen sich die Mitarbeiter des Jugendbüros aber langsam von den abendlichen Rundgängen zurückziehen. "Wir möchten mögliche Konflikte zwischen unserer Rolle als Sozialarbeiter, in der wir manchmal eingreifen sollten, und unserer Rolle als Nachtwanderer, wo wir das nicht tun sollen, vermeiden", erklärt John. Neue ehrenamtliche Nachtwanderer seien deshalb willkommen, um diese sinnvolle Aufgabe in Schiltach weiter zu erfüllen.

Schiltach. ist nach wie vor ein ruhiger, eher ungefährlicher Ort. Die Nachtwanderer sollen dazu beitragen, dass sich daran nichts ändert. Die Stadt Schiltach unterstützt die Idee und beauftragte im Jahr 2013 das Jugendbüro, das Projekt auf den Weg zu bringen. Aktuell machen in Schiltach acht ehrenamtliche Nachtwanderer mit, weitere werden gesucht. In zwei halbtägigen Seminaren werden sie auf ihre Aufgaben vorbereitet. Themen sind Deeskalationstraining und Erste Hilfe. Wenn die Mindestteilnehmerzahl von drei zustande kommt, geht es von Mai bis Oktober Freitag- und Samstagabends von 22 bis circa 1.30 Uhr los, außer bei schlechtem Wetter. Ihre Route führt an typischen Treffpunkten entlang, an denen sich Jugendliche gerne aufhalten und mal feiern. Nachtwanderer sind keine Polizisten oder Sozialarbeiter. Sie suchen das Gespräch mit den Jugendlichen, die unterwegs sind und halten die Augen offen für das Geschehen in der Nacht. Allerdings verhindern sie mit ihrer Präsenz vielleicht manchen Unfug, der sonst entstehen würde. Wer 25 Jahre und älter ist und Interesse am Mitwandern hat, möchte sich bitte beim Jugendbüro Schiltach unter 07836/58 37 melden.