Spurensuche: Die Ausstellung zum Beginn des Ersten Weltkriegs war gut besucht. Mancher entdeckte das Foto eines nahen Verwandten, den er nie kennenlernen konnte. Berührend Andenken wurden geschaffen, wie das an Johann Georg Bühler (rechts). Er wurde gerade mal 20 Jahre und drei Monate alt, ehe eine Granate sein Leben beendete. Fotos: Harter Foto: Schwarzwälder-Bote

100 Jahre Erster Weltkrieg: Ausstellung des Historischen Vereins berührt die Besucher / Besondere Begegnungen

Von Hans Harter

Schiltach. Dass das Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren derzeit nicht nur ein Thema von Staatsmännern, Historikern und Medien ist, zeigte der reichliche Besuch der eintägigen Ausstallung des Historischen Vereins Schiltach/Schenkenzell zu diesem Thema.

Zu sehen waren die sonst im Archiv aufbewahrten, von Eduard Trautwein um 1936 künstlerisch gestalteten Gedenkblätter der Schiltacher Gefallenen sowie die "Ehrentafeln" der Soldaten aus Lehengericht: eine Vielzahl von Fotos meist ernst blickender junger Männer in Uniform, teils bewaffnet, die auf einem der vielen Schlachtfelder blieben, vor allem in Frankreich. Fast ein Viertel all derer, die 1914 bis 1918 aus Schiltach und Schenkenzell "ins Feld" gerufen wurden, kam an der Front ums Leben.

Am "Heldenkreuz" ist ihre Zahl mit 111 aus Schiltach und 39 aus Lehengericht vermerkt: 150 Lebensentwürfe, die der vom Zaum gebrochene Krieg gewaltsam beendete, mit tiefen Wunden in den Familien und großen Lücken in der Bevölkerung, weil einzige Söhne, Väter kleiner Kinder, Jungverheiratete, Verlobte, Geschäftsinhaber und Betriebsnachfolger nicht mehr zurückkamen.

Dies war bei den Besuchern noch immer zu spüren, von denen die älteren noch von Familien wussten, denen zwei, so dem Bierbrauer Haist, oder gar drei Söhne genommen wurden, wie dem Fuhrmann Summ in der Gerbergasse, deren Mutter dort ihren Schmerz laut hinausschrie. Mancher Besucher stand vor dem Foto eines Onkels oder Großonkels, den er nie kennenlernte, eine Frau begegnete dem Foto ihres Großvaters, von dem sie bisher nicht einmal ein Bild gesehen hatte. So wurde eine Menge Familiengeschichte greifbar, aber auch deutlich, wie die "große Politik" in das Leben der Menschen eingriff und es für "vaterländische" Ziele aufs Spiel setzte.

Daraus ergaben sich auch Gespräche über aktuelle Konflikte, in Palästina und der Ukraine: Erinnerung nach 100 Jahren als Anlass zur Wahrnehmung heutiger Kriege, gar nicht so fern der eigenen Haustür. Als Trost blieb damals religiöse Hinwendung oder auch die Volkskunst, die berührende Andenken schuf, wie das für ein Lehengerichter Mädchen: ein aus Sperrholz gebautes, verglastes Häuschen, darin das Foto eines Soldaten inmitten von Engeln. Bei ihnen sah sie ihn aufgehoben, ihren Bruder, den Grenadier Johann Georg Bühler, der "am 1. Juni 1917 durch eine schwere Granate verschüttet wurde." Er war 20 Jahre und drei Monate alt.