Rudolf Stählin, als Leutnant hoch zu Ross. Er fiel 1918 in Frankreich. Vorlage: Stadt Schiltach Foto: Schwarzwälder-Bote

Volkstrauertag: Schiltacher Schicksale 1914 bis 1918 / Todesmeldungen gehen reihenweise ein

Gerade mal ein Jahrhundert ist es her, dass Deutschland und die Deutschen in einen fürchterlichen Krieg verstrickt waren. Zum Volkstrauertag soll an damalige Schiltacher Schicksale erinnert werden.

Von Hans Harter

Schiltach. Als am 5. Oktober 1918 der Amtliche Heeresbericht den "Leutnant Stählin" lobend für die "Abwehr feindlicher Panzerwagen" erwähnte, war er bereits zwei Tage tot, gefallen im Argonnerwald. Hier hatten amerikanische Truppen zu einer Großoffensive angesetzt, die mit dem Gesuch Deutschlands um Waffenstillstand enden sollte.

Zuhause trauern die Frauen und Kinder

Als Feldartillerist stand Stählin an vorderster Front bei der Abwehr der Tanks, von denen er vier abschoss, bevor er selber getroffen wurde. Er war einer der letzten Schiltacher, die kurz vor Kriegsende noch ihr Leben lassen mussten. Es begann hier 1887, als Sohn des Kaufmanns Emil Stählin, der einen Eisenwaren- und Haushaltsladen betrieb (heute: Apotheke). Er besuchte die Volksschule und die von Pfarrer Böckh unterhaltene Privatschule, die ihn für das Gymnasium in Offenburg vorbereitete. Nach dem Abitur studierte er alte Sprachen in Freiburg, München und Heidelberg, wo er 1910 seine Doktorarbeit über den altgriechischen Dichters Aischylos einreichte. Gleichzeitig legte er das Staatsexamen ab und wurde Lehramtspraktikant in Karlsruhe.

1913 bekam Stählin eine Stelle als Sprachenlehrer an der höheren Knabenschule in Karthaus bei Danzig (heute: Kartuzy, Polen). 1914 wurde er gleich als Artillerist an die Front in Russland geschickt, ein Jahr später nach Frankreich. So war er "seit Kriegsbeginn im Feld", ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz, als er am 3. Oktober 1918 "sein Leben in den schweren Kämpfen an der Maas dem Vaterland zum Opfer brachte", so die Todesanzeige. In ihr beklagte seine Frau den "allzu frühen" Tod, auch im Namen der beiden Kinder, für die ein weiteres Geschwister unterwegs war.

Dieses Schicksal teilte sie mit vielen anderen Frauen, sogenannte Kriegerwitwen, denen der Mann und Vater der Kinder genommen wurde. So kam 1915 "die Trauerbotschaft" für Wilhelm Bühler, "einen strebsamen jungen Geschäftsmann", der "eine tieftrauernde Witwe und zwei kleine Kinder hinterlässt." Gerade war Karl Gutmann, Eisenbahnsekretär, mit dem "Ritterkreuz vom Zähringer Löwen" ausgezeichnet worden, da mussten seine Frau Elise und die beiden Kinder schon seine Todesanzeige unterschreiben. Und der "Kriegsjammer", so die Zeitung, hörte nicht auf: 1917 beklagte die Heubach-Wirtin Katharina Bühler "mit vier unmündigen Kindern" ihren "innigst geliebten Gatten und Vater". Zur gleichen Zeit wurde der seit 1914 eingezogene Franz Wäckerle getötet – "eine Witwe und fünf Kinder trauern um den Gefallenen." Sie erhielten ein von Kaiser und Kriegsminister unterzeichnetes Gedenkblatt, in dem von "Verteidigung des Vaterlandes", "Feld der Ehre", "großer Zeit", "Pflichttreue bis zum Tode" und "unauslöschlichem Dank" die Rede ist.

Ehrlicher waren da die Verse der Soldaten, die als "Sonntagsgedanken im Schützengraben" den Weg in die Heimat fanden: "Es ist der unselige Kampf, der lang schon die Völker zerfleischet / Und durch gemeinsame Schuld der Menschen Frieden verschloss / O, wenn doch der gelbe Neid und die Zwietracht verschwänden / Wie herzlich froh und dankbar wären der Menschen Gemüter."

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Schiltach und Lehengericht und die Stadt Schiltach veranstalten morgen, am Volkstrauertag, um 11.30 Uhr eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung am Gefallenenehrenmal auf dem Schlossberg. Die Feier wird von der Chorgemeinschaft Schiltach/Schenkenzell umrahmt. Bürgermeister Thomas Haas und Pfarrer Christoph Glimpel werden jeweils eine Gedenkrede halten. Vom Marktplatz aus besteht um 11.20 Uhr Mitfahrgelegenheit zum Wanderparkplatz in Privat-Autos. Das Ehrenmal auf dem Schiltacher Schlossberg wird in der Nacht vor und nach dem Volkstrauertag durch Scheinwerfer angestrahlt. Heute, am Vorabend des Volkstrauertags, werden an der Soldatengedenkstätte und auf dem Soldatengrab des Schiltacher Friedhofs Kerzen entzündet.