Kantorenwettbewerb: Anna Myasoedova überzeugt als Organistin und musikalische Leiterin
Von Johannes Fritsche
Die Auswahlkommission für die Besetzung der Kantorenstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Schiltach-Schenkenzell hat sich am Dienstag einstimmig für eine Kandidatin ausgesprochen.
Schiltach. Einen anstrengenden und für ihr Berufsleben wichtigen Tag hatte Anna Myasoedova bei der Evangelischen Kirchengemeinde Schiltach-Schenkenzell vor sich. Nach zwei Runden der Vorauswahl wollte die Auswahlkommission für die Neubesetzung der Kantorenstelle in den "Oberen Tälern" (Schenkenzell, Schiltach, Wolfach, Kirnbach, Hausach, Gutach und Hornberg) am Dienstagnachmittag und Abend das musikalischen Können der aus Moskau stammenden und noch in Herford wohnenden Kirchenmusikerin prüfen. Deren Nervosität dürfte etwas gemildert haben, dass der zweite Bewerber kurzfristig abgesagt hatte, wie Bezirkskantor Traugott Fünfgeld zu Beginn der öffentlichen Orgelprüfung mitteilte.
Die Orgelkompositionen durfte die Kandidatin weitgehend selbst auswählen. Vorgegeben war lediglich das Lied 387 aus dem Evangelischen Gesangbuch, außerdem sollte ein Stück von Johann Sebastian Bach dabei sein. Bei der musikalischen Interpretation ihrer Auswahl zeigte Myasoedova dann mit allen Facetten ihres Könnens, dass sie nicht nur klassische, sondern auch moderne Stücke virtuos und ausdrucksvoll beherrscht. Aus dem Vorspielen wurde ein Konzert, das manchen Zuhörer den Anlass vergessen ließ und ihn zur Meditation anregte, wie ein Mitglied des Kirchengemeinderats im Nachhinein bekannte.
Viel Beifall und anerkennendes Nicken der Kommissionsmitglieder ließen da schon ahnen, in welche Richtung die Entscheidung gehen könnte. Nach dem Orgelspiel in der Stadtkirche ging es um ihre Qualitäten in der musikalischen Leitung als Dirigentin: Es folgten ab 16 Uhr Proben mit dem Kinderchor, abends mit dem Posaunen- und Kirchenchor. "Bei allen dreien zeigte sich, dass sie einen Draht zu den Menschen hat und alle Altersgruppen motivieren kann", erzählte Pfarrer Christoph Glimpel am nächsten Tag dem Schwarzwälder Boten im Gespräch.
Noch am Abend davor hatte die Auswahlkommission einstimmig beschlossen, den Oberkirchenrat zu bitten, die Stelle an die Bewerberin aus Herford zu vergeben. "Wenn diesem Vorschlag entsprochen wird, kann die Stelle im Herbst mit Frau Myasoedova besetzt werden. Die letzte Entscheidung liegt jetzt also in Karlsruhe", erklärte Pfarrer Glimpel.
Seit der Schiltacher Kantor Detlev Zeller 2013 starb, war die Stelle vakant. Die Kirchengemeinde musste sich für die Gottesdienste mit wechselnden Vertretungen behelfen. "Und der Kirchenchor war praktisch verwaist", bedauert ein Mitglied des Kirchengemeinderats.
Stimmt der Oberkirchenrat dem Vorschlag der Kommission zu, geht diese harte Zeit im Herbst zu Ende.
Anna Myasoedova hatte sich folgende Stücke für die Prüfung ausgewählt: "Plein jeu" und "Caprice" aus "Suite du Deuxieme Ton" von Louis-Nicolas Clerambault (1676-1749); "Präludium und Fuge in G-Dur" BWV 541 von Johann Sebastian Bach (1675-1750); "Intermezzo-Adagio" aus der Symphonie Nr. 3, Opus 28 in Fis-Moll von Louis Vierne (1870-1937); "BACH-Rumba" von Hans-Martin Kiefer (*1956). Das Kirchenlied "Mache dich, mein Geist bereit" (EG 387) war ihr für Introduktion, Thema und Variationen vorgeben.
Auf Wunsch der Zuhörer kamen dann spontan noch dazu: "Kommt mit Gaben und Lobgesang" (EG 229) und "Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt" (EG 98). Bei beiden Liedern zeigte sie, dass sie auch aus dem Stand improvisieren kann.
Die Orgelprüfung in der evangelischen Stadtkirche moderierte der Offenburger Bezirkskantor Traugott Fünfgeld. Außer ihm gehörten der Auswahlkommission an: Landeskantor Kord Michaelis, Pfarrer Christian Kühlewein-Roloff aus Offenburg, Landesposaunenwart Heiko Petersen, außerdem ein bis zwei Vertreter aus jeder Gemeinde der Oberen Täler sowie des Bezirkskirchenrats.
