Lehengerichter Schicksale 1914-1918 / Soldaten lernen im Krieg das Beten wieder

Von Hans Harter

Schiltach/-Lehengericht. Lehengericht zahlte im Ersten Weltkrieg einen hohen Preis. Jeder vierte Frontsoldat fiel. Das Leid im Schützengraben und im Dorf war groß.

Als im November 1915 die Schiltach-Lehengerichter Imker zur Versammlung zusammenkamen, gedachten sie zuerst ihres Vorstandsmitglieds Johannes Schmalz, Eichberger, der "beim Sturm auf Kowno" gefallen war. Sie nannten ihn "einen Mann von rechtem Schrot und Korn, getragen von einem brüderlichen Geiste für die edle Bienenzucht, mit einem herzguten, heiteren Gemüte. Und nun kommt er nicht wieder. So hat auch er sein Herzblut geopfert fürs Vaterland wie so viele andere." Er war 38 Jahre alt und hinterließ seine junge Frau Christine, geborene Braun, mit einem Kind.

Das Foto von J. Schmalz findet sich unter den 149 Bildern auf der Ehrentafel für die "Söhne der Gemeinde Lehengericht", die Soldaten im Ersten Weltkrieg waren. Und es gehört zu den 42, die mit einem Kreuz als Gefallene gekennzeichnet sind. Das bedeutet, dass fast jeder Vierte der aus Lehengericht vom Kaiser "ins Feld" Geholten nicht wiederkam: Junge Männer, aber auch Familienväter - ein hoher Blutzoll für die 900 Einwohner.

Im Juli 1915 druckte die Zeitung den "Feldpostbrief eines Lehengerichters". Er berichtet vom "heißen Gebet in Frankreich", und dass "viele unter den ernsten Erlebnissen des Kriegs zu Glauben und Gebet zurückgekehrt sind." In den Jahren des Friedens hätten sie "Gott den Rücken gekehrt und dachten, wenn ich in meinem Geschäft vorwärts komme, das sind Ziele." Aber: "Gott tut das Verlangen derer, die ihn fürchten." Nur Gebet und Buße bringen den Sieg, und dann gibt es "Frieden und Wiedersehen".

Dies war der Versuch, den Krieg mit Hilfe einer starken Religiosität durchzustehen, den Feldmarschall von Hindenburg vorgab: "Es geht nicht mehr vorwärts, weil nicht mehr so viel gebetet wird." Die Frage war nur, wieso Gott eine Kriegspartei bevorzugen sollte und ob es nicht an den Generälen oder Staatsmännern gewesen wäre, das von ihnen angerichtete Grauen zu beenden. Und so stand Lehengericht fassungslos vor den vielen Todesnachrichten, etwa der Dienstknecht Jakob Haberer von der Schmelze, der seiner Trauer in einem Gedicht Ausdruck verlieh: "Zum Tode meines Bruders Johann Georg, welcher den Heldentod gestorben ist": "Geliebter Bruder, nun auch du / So froh und willig jederzeit / Nun findest auch du / In fremder Erde deine Ruh / Nach heißem Kampf und schwerem Streit. / Bist du nun auch von uns geschieden / In unsern Herzen lebst du fort / Ein Wiedersehen ist uns beschieden / An einem schöner’n bessern Ort."

Jakob Haberer starb seinerseits 1919 an Kriegsfolgen, so dass seine Eltern den Verlust von zwei Söhnen zu verschmerzen hatten. Dasselbe widerfuhr der Familie Wöhrle/Ramsel, die ihrer Trauer in einem bei ihrem Haus errichteten Denkmal Gestalt gab: Eine Sandstein mit den Fotos der Söhne und Brüder Georg Friedrich, Bäcker, und Johannes, Landwirt.