Vom Besuch der Großherzogin wurde 1915 eine Postkarte aufgelegt – allerdings nur mit grüßendem Menschen und einem geschmückten Lazarett. Die Verwundeten blieben außen vor. Foto: Städtische Museen Foto: Schwarzwälder-Bote

Postkarte von 1915 erinnert an die Zensur / Verwundete und Versehrte bleiben hinter verschlossenen Türen

Von Andreas Morgenstern Schiltach. Ein verträumt blickender Soldat in feldgrauer deutscher Uniform lauscht einem singenden Vogel. Im Hintergrund zwitschern weitere Vögel auf einem Baum, der Himmel strahlt blau, das Gewehr ist angelehnt und auch erst auf den zweiten Blick zu sehen.

Das Bild einer geradezu schönen Soldatenzeit. Dreht man die Postkarte allerdings um, offenbart sich die harte Realität des Ersten Weltkrieges: Das Schreiben ging im Februar 1918 an einen verwundeten Schiltacher Soldaten ins Lazarett. Wahrscheinlich erstmals so fern seiner Schwarzwälder Heimat, hatte er seine Hoffnung auf das Wiedersehen von Schiltach und von geliebten Menschen in die Schützengräben mitgenommen. Nun bezahlte er seinen Einsatz für das Vaterland mit seiner Gesundheit.

Die Postkarte, derzeit zu sehen in der Ausstellung "Schiltach worldwide" im städtischen Museum am Markt in Schiltach, aber ließ das Grauen des Krieges ungezeigt, so offensichtlich das Leid inzwischen nicht allein in den Schützengräben, sondern auch an der hungernden "Heimatfront" herrschte.

Das Kaiserreich wollte die Stimmung um jeden Preis hochhalten. Abbildungen des tatsächlichen Kriegsgrauens drohten der Kriegsbegeisterung zu schaden, wobei diese in Wirklichkeit ohnehin nach den ersten Todesmeldungen überall eingebrochen war.

Bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch 1914 erreichte deshalb die Schiltacher Stadtverwaltung das erste Verbot von Schriften, aber auch von Bildmotiven auf Postkarten und in Zeitungen. Die Begründung: "Die Bücher können durch übertriebene Hervorhebung der Kriegsschrecken und durch ebenso übertriebene Betonung der Ueberlegenheit unseres Gegners nur deprimierend und entmutigend auf die Volksstimmung wirken."

In Schiltach hat sich noch ein weiterer Beleg für die bildliche Aussparung des wirklichen Leids erhalten. 1915 besuchte Großherzogin Hilda das Schiltacher Lazarett. Das Bild, welches von diesem großen Ereignis Verbreitung fand, zeigt aber an keiner Stelle Verletzungen, stattdessen ein geschmücktes Gebäude und grüßende Menschen.

Die harte Realität blieb hinter verschlossenen Türen, der Durchhaltewille sollte so gestärkt werden. Wichtig war die Schönung des tatsächlichen Kriegsgrauens auch deshalb, weil das Deutsche Reich zur Kriegsfinanzierung auf Spenden aus dem Volk angewiesen war. Neben der Postkarte liegt daher in der aktuellen Ausstellung "Schiltach Worldwide" im Museum am Markt eine Münze mit der Aufschrift "Gold gab ich für Eisen".

Die Hoffnungenmissbraucht

Während sich die an den Fronten kämpfenden Soldaten im täglichen Überlebenskampf nach ihrer Heimat sehnten, wurden die Hoffnungen der Menschen daheim für die Kriegsfinanzierung missbraucht. Vielfach gaben die Menschen ihren wertvollsten, geerbten Schmuck – als "Dank" bekamen sie solch eine Münze als sichtbares Zeichen ihres Patriotismus.

Nach dem verlorenen Krieg waren die gezahlten Kriegsanleihen wertlos. All die Ideale, mit denen auch die Schiltacher ausgezogen waren, all die Erwartungen, die sich mit ihrer Einberufung an ferne Fronten verbanden und all die Opfer, die auch die Schiltacher an der "Heimatfront" für ihr Land brachten, waren letztlich umsonst. Dass sie aber so lang die harten Lasten des Krieges mitschulterten, daran hatten aber auch die geschönten Bilder ihren Anteil.