Gottlieb Trautwein (1892 bis -1953), Volkssturmführer 1945, Bürgermeister 1946 bis 1952. Foto: Schwarzwälder-Bote

Schiltach 1945 (II): das Kriegsende / Tapfere Männer verhindern sinnlose Opfer

Von Hans Harter

Schiltach. Heute vor 70 Jahren endete für Schiltach faktisch der Zweite Weltkrieg. Die Franzosen rückten ein. Vor allem zwei beherzten Männern ist zu verdanken, dass die Stadt weitgehend unzerstört blieb und nicht noch mehr Menschen ums Leben kamen.

Die Befehle, die die Führer des hiesigen "Volkssturms", Chr. Joos und G. Trautwein, Mitte April 1945 erreichten, ließen sie das Schlimmste befürchten: Von ihren 300 älteren Männern aus Schiltach, Lehengericht, Schenkenzell und Kaltbrunn sollten sie 57 nach Villingen schicken, zur Eingliederung in eine Infanteriedivision, was, so Trautwein, ihr "sicheres Verderben" bedeutet hätte.

Zugleich ging es um die Panzersperren Richtung Schenkenzell. Sobald eine Kolonne flüchtender NS-Funktionäre durch wäre, mussten sie geschlossen werden – für die Franzosen das Signal für Widerstand, was die Beschießung von Schiltach zur Folge haben musste. Joos, Alt-Nazi, und Trautwein, vor 1933 entschiedener Nazi-Gegner, waren sich einig: Angesichts der "aussichtslosen Lage" entschieden sie sich, dafür zu sorgen, dass alle Männer hier blieben und "Schiltach ohne einen Schuss besetzt wird".

Während sie das Abrücken der Männer verzögerten, wofür der Kreisstab mit "Standgericht" drohte, kamen weitere Probleme: Ernst Lüder, Werkmeister bei Grohe, informierte, wo noch Sprengstoff zur Munitionsherstellung lagerte, der zum Sprengen taugte. Nachts zog Trautwein mit acht Männern und einem Wagen los. Sie luden die 114 Kisten auf, schoben sie in den Hunersbach und versenkten sie in einem Bergwerk. Dann wurde ein Sprengtrupp beobachtet, der sich an der Stadtbrücke zu schaffen machte, die Joos und Trautwein nun bewachen ließen – mit Schießbefehl, um jede Zerstörung zu verhindern.

In dramatischen Szenen wurden sie von Nachbarn, die um ihre Häuser fürchteten, unterstützt, auch von Offizieren, die die Sprengung als sinnlos ansahen. Der Trupp, der in Schenkenzell eine Bahnbrücke zerstört hatte, zog ab nach Wolfach, um dort die Stadtbrücke in die Luft zu jagen, während die hiesigen Brücken unversehrt blieben. Unterdessen kam der Befehl zur Schließung der Panzersperren, den G. Trautwein ignorierte, trotz eines NS-Funktionärs und einiger Jung-Nazis, die "noch Werwolf spielen wollten" und die er mit "fertiggemachtem Gewehr" vertrieb.

In der Nacht zum 21. April meldeten sich die Franzosen mit Artilleriebeschuss aufs Städtchen, der die katholische Kirche und mehrere Häuser traf. Am frühen Morgen kam aus den Kellern "eine Menschenmenge" zum Rathaus, auf der Suche nach dem Bürgermeister und der Forderung, Schiltach zu übergeben. Er saß im Koch-Keller und wurde, unter Protest der Frau des Ortsgruppenleiters, dazu gebracht, einen Zettel mit der Übergabe zu schreiben. Damit fuhren Helmut Siebald und Ferdinand Wöhrle, einstiger Fremdenlegionär, auf Fahrrädern zum französischen Stab nach Rötenbach. Zuvor war Paul Wolber, Getränkehändler und baldiger neuer Bürgermeister, mit einer weißen Fahne bei den Franzosen in Schenkenzell und bat, Schiltach nicht mehr zu beschießen. G. Trautwein beobachtete, wie sie am Morgen des 21. April anrückten: "Ein Motorrad, dann Panzer mit Infanterie." In einem Haus fanden sie eine Hakenkreuzfahne, die sie auf die Straße legten und überfuhren – eine symbolische Handlung der Vernichtung des Dritten Reichs. G. Trautwein dankte: "Vielen Männern, die zusammengehalten haben. In der entscheidenden Stunde waren sie da und bildeten einen Widerstandsherd zum Schutze ihrer Heimat."

Nicht so glimpflich ging es in Lehengericht ab: Beim Hinterbauer lagen Schramberger Volkssturm und versprengte Soldaten. Als die anrückenden Franzosen beschossen wurden, erwiderten diese das Feuer, wodurch der Hof zerstört wurde. Auch in Vorderlehengericht gab es Widerstand, der drei deutschen Soldaten und vier Einwohner das Leben kostete. Dort fuhr der Wolfacher NS-Kreisleiter Schweikhardt nachts sein Auto in den "Höllgumpen" und erschoss sich, als das Wasser über ihm zusammenschlug. Seine Leiche wurde erst Wochen später entdeckt und auf dem Schiltacher Friedhof begraben.