Matthias Claudius stand im Mittelpunkt des literarischen Abends mit Wolfgang Tuffentsammer (links). Fotos: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Literarischer Abend zu Matthias Claudius / Leben und Vergänglichkeit gehen Hand in Hand

Von Johannes Fritsche

Schiltach. Auf dem literarischen Abend im Treffpunkt machte Pfarrer i.R. Wolfgang Tuffentsammer den Versuch, den Menschen Matthias Claudius durch seine Gedichte sichtbar zu machen.

Diesmal gab es auf der Veranstaltung der evangelischen Kirchengemeinde und Volkshochschule Schiltach/Schenkenzell kein "Doppelgeschwätz" mit dem Autor und Historiker Günter Bentele. Aber Wolfgang Tuffentsammer schaffte es auch alleine, die Zuhörer im Schiltacher Treffpunkt in den Bann seines Vortrags zu ziehen. Unterstützt wurde er von seiner Frau, die vom Notebook aus die Projektion der Gedichtstexte auf die Leinwand und die Wiedergabe der Lieder von Franz Schubert und Ludwig van Beethoven über die Lautsprecher steuerte.

"Kein deutsches Gedicht wird so oft gedruckt wie dieses: ›Der Mond ist aufgegangen‹. Auch 200 Jahre nach seinem Tod schlägt Matthias Claudius selbst Goethe nach Punkten", zitierte Tuffentsammer aus einer Tageszeitung vom 21. Januar 2015, dem 200. Todestag von Matthias Claudius. Das Lied steht sogar in kirchlichen Gesangbüchern, ebenso das bekannte "Wir pflügen und wir streuen".

Worin die zeitlose Aktualität des Dichters und Schriftstellers liegt, der vor 275 Jahren geboren wurde und vor 200 Jahren gestorben ist, will Tuffentsammer an diesem Abend erkunden: "Matthias Claudius ist so vielschichtig, dass man es nicht schafft, alle Facetten vorzustellen. Anhand von zehn Gedichten wollen wir aber dem Menschen etwas näher kommen". Claudius stammt aus einer Pfarrerfamilie, hat Theologie studiert und abgebrochen. Sind seine Gedichte deshalb religiös? "Nein, sie haben weniger mit Philosophie, Theologie und Dogmen zu tun, sondern mit dem Leben. Claudius ging es immer um das Leben an sich. Aber auch die Vergänglichkeit spielt in seinen Gedichte oft eine Rolle. Freund Hain, der Tod, wird von ihm als Teil des Lebens akzeptiert", erklärt Tuffentsammer.

Deutlich wird das am Claudius-Gedicht "Der Tod und das Mädchen". Durch den Komponisten Franz Schubert, der allein 20 seiner Gedichte vertont hat, wurde es berühmt. Tuffentsammer liest das Gedicht vor, dann spielt seine Frau die eindringlich gesungene Fassung von Schubert ab. "Das ist ein Dialog mit zwei unterschiedlichen Teilen: Das Mädchen, dass sich gegen das Ende wehrt, und dann der Tod, der eine sanftere Dimension des Sterbens öffnet", interpretiert Tuffentsammer.

Das wohl bekannteste Gedicht, das jedes Kind kennt, und das trotzdem seine Wirkung behalten hat, ist "Der Mond ist aufgegangen". Es wird von allen gemeinsam gesungen, mit dem Text aus dem auf den Tischen ausgelegten evangelischen Gesangbuch, begleitet auf dem Klavier von der ehemaligen Schiltacher Kantorin Rita Heintz. "Das Gedicht ist so genial, dass es nicht gemacht, sondern wie ein Volkslied wirkt", sagt Tuffentsammer. Dann folgen sechs weitere Claudius-Gedichte, die alle eines zeigen: "Claudius konnte mit der Sprache ungeheuer gut umgehen", findet Tuffentsammer.

Dass Claudius auch satirisch und parodistisch dichten konnte, zeigte dann "Urians Reise um die Welt" in der Vertonung von Ludwig van Beethoven. Das geläufige "Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen", stammt daraus. Auch viele andere Zitate von Claudius sind so eingängig, dass sie sich im Sprachgut verselbstständigten, wie eine von Tuffentsammer verteilte Liste zeigte. Der poetische Abend klang aus mit "Der Mond ist aufgegangen" in der Vertonung von Schubert. Am Schluss des Abends bedankte sich Tuffentsammer bei den beiden Helferinnen vom Treffpunkt, bei Rita Heintz und seiner Frau Betti für ihre Mitarbeit und überreichte jeder eine Rose von dem schönen Strauß, der den Vortragstisch schmückte.

Beim nächsten literarischen Abend wird es wieder ein "Doppelgeschwätz" mit Günter Bentele geben. Thema ist Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, der auch Bürgermeister von Renchen im Schwarzwald gewesen ist.