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21-jähriger Syrer Yazan erzählt von Krieg und Flucht

Nachts bekommt der 21-jährige Yazan (Name geändert) kein Auge zu. Furchtbare Erinnerungen rauben ihm den Schlaf. Parallel dazu leben seine Eltern in einer Region Syriens, die fast täglich bebombt wird.

Schenkenzell. Regelmäßig trifft Yazan in Schenkenzell seine Paten, die ihn durch den Alltag leiten. Meist unerwartet brechen Episoden aus dem Syrer heraus. Auf Europäer wirken die Berichte von Foltern, Minen und Bombardements abstrakt. Geboren wurde Yazan im Süden Syriens als ältester Sohn einer Lehrerin und eines Anwalts. Eineinhalb Jahre studierte er. Damit umging Yazan, von al-Assads Armee eingezogen zu werden. Menschen töten? Nein danke.

Yazan erzählt: "Der Krieg begann 2011 in Daraa, als die Soldaten al-Assads den Kindern die Fingernägel mit Zangen herauszogen". Die meisten Leute seiner Stadt stellten sich deshalb gegen den Führer. Der antwortete mit Helikoptern, 200 Panzern, 10 000 Soldaten und Dauerbeschuss. In der Stadt bildete sich dagegen eine Freiarmee. "Viele Männer, Frauen und Kinder starben", erinnert sich der junge Mann. Die Familie floh in den Nachbarort, dessen Bevölkerung sich aus Angst zu al-Assad bekannte. Soldaten filzten die Familien. Lehrer deckten bedrohte Schüler. "Wenn die Soldaten kamen, rannten alle Kinder aus der anderen Stadt zur Hintertür hinaus. Wir versteckten uns. Zwei bis drei Mal pro Woche passierte das", erzählt Yazan.

Einmal entführten die Soldaten alle Lehrer, um sie tagelang zu foltern. Mit Gewehrkolben brachen sie den Pädagogen sämtliche Knochen. Mit 17 Jahren wurde Yazan vom Daesh (IS) geschnappt und 14 Tage bis zur Bewusstlosigkeit mit Knüppeln und Peitschen gefoltert. "Ich war überzeugt, zu sterben", erklärte Yazan, während er angespannt hin und her lief.

Ein anderes Mal wurde Yazan Zeuge bei einer Hinrichtung. Ein junger Mann musste sein Grab ausheben, davor niederknien. Mit einem Metzgermesser wurde sein Rücken längs gespalten.

Trotz der Kriegserlebnisse schloss Yazan seine Schulzeit mit dem Abitur ab. Er studierte, bis im Dezember die Universität bombardiert wurde. Verletzte, Sterbende und tote Kommilitonen hob er vom Boden auf. "Ich kann Bomben fühlen", beschreibt Yazan.

Die Eltern zogen den Nothahn. Ihr sollt nach Europa fliehen und leben, befahl der erschrockene Vater Yazan und seinem Bruder. Alle Ersparnisse wurden für die Flucht zusammen gekratzt. Gefährlich war der Weg nach Beirut und in die Türkei. Dort mussten Schlepper gesucht werden, um mit dem Boot über die Ägäis zu kommen. Das überladene Boot nahm seine Fahrt auf. "Auf halbem Weg umkreiste uns die türkische Seepolizei und brachte das Boot zum Kentern", sagt Yazan schaudernd. Sekunden später hielt Yazan einen 18 Monate alten Buben über Wasser. Plötzlich kam dieselbe Seepolizei wieder und fotografierte die Verzweifelten. Paradoxer Weise zogen sie danach die Flüchtlinge aus dem Wasser. Erst der vierte Versuch über das Meer zu kommen, gelang. Volunteers einer Humanity Organisation brachten Schuhe, Kleidung, heißen Tee, Essen.

Weiter ging es nach Thessaloniki, Mazedonien und Serbien nach Kroatien. In Slowenien mussten sie Geld, Uhren, Schlüssel und Schmuck abliefern. "Wir bekamen Nummern. Ich war die Fünf und wurde mit der Gruppe in einen Bus geschoben. Ich schlief ein. Als ich aufwachte, sah ich die Berge Österreichs. Und ich hörte das erste deutsches Wort: Willkommen", erzählt Yazan.

In München wurden die Brüder vom deutschen Militär geprüft und registriert. Yazans Freund wurde angebrüllt und zurück nach Österreich geschickt. Yazan bekam einen freundlichen Soldaten. Er fragte vorsichtig, ob auch er zurück nach Österreich gehen müsse. Dieser schickte die Brüder aber in die Landeserstaufnahme nach Ellwangen. Nur 15 Tage blieben sie dort. Von dort folgte der Transfer nach Schenkenzell. Hier läuft die Integration bestens. Nach dieser kurzen Zeit haben die Brüder erstaunliche Deutschkenntnisse erworben. Einziger Wermutstropfen ist, dass beiden statt Asyl der subsidiäre Status zuerkannt wurde. Yazan beauftragte deshalb einen Anwalt. Trotz Heimwehs möchte er in Deutschland ein Leben in Sicherheit aufbauen. Yazans Geschichte gibt es ausführlicher im Blog unter: fluechtlingsreportage.blogspot.de.

Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Als solcher gelten: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Bestrafung oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens.

Was bedeutet "subsidiär" rechtlich? Gewährt wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Bei Verlängerung je zwei weitere Jahre. Die Niederlassungserlaubnis nach fünf Jahren ist möglich, wenn weitere Voraussetzungen, wie die Sicherung des Lebensunterhalts sowie Sprachkenntnisse erfüllt sind. Erwerbstätigkeit ist gestattet. Quelle: BAMF