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Walter Bajerke betreibt mit seinen Ziegen und Schafen Landschaftspflege der besonderen Art

Mit seinen Schafen und Ziegen hält der Schramberger Walter Bajerke den Anwohnern im Witticher Tal den Wald von ihren Häusern fern.

Schenkenzell. Seit einem Jahr weiden circa 100 Schafe und Ziegen von Walter Bajerke aus Schramberg auf den Steilhängen am Ende des Witticher Tals, in Hinter Wittichen. "Ohne die Herde wären die Hänge längst zugewachsen", stellt Bajerke fest. "Aber die Schafe und Ziegen sind richtig gut, die machen alles platt", fügt er hinzu. Besonders die Ziegen seien gut gegen die Verbuschung, nur gelegentlich muss er mit dem Freischneider nachpflegen. Die Bewohner des Tals sind froh, dass Wald und Büsche von ihren Häuser ferngehalten werden. Sie helfen mit Strom für die Zäune aus und sind auch nicht sauer, wenn eine ausgerissene Ziege mal einen Salat im Garten frisst.

Mit dem Landschaftserhaltungsverband (LEV) Rottweil hatte Bajerke zunächst einen kurzfristigen Pachtvertrag abgeschlossen. Eigentümer der Weiden ist der Forstbetrieb Fürst zu Fürstenberg in Donaueschingen. Würde die Herde nicht das Gras abfressen und die Büschen dezimieren, müsste wieder gemulcht werden. Das Gras wird dabei abgemäht, zerkleinert und bleibt liegen. Dafür müssten teure ferngesteuerte Spezialmaschinen eingesetzt werden. Die natürlichen tierischen Rasenmäher sind billiger und auch effizienter.

Artenreichtum wird gefördert

Dass das gut funktioniert, und die Mischung von Schafen und Ziegen ordentlich abgefressen wurde, davon hat sich der Landschaftserhaltungsverband Rottweil vor Ort überzeugt. "Das Abweiden ist für den Aufwuchs besser als das teure Mulchen. Pflanzen, die Licht brauchen, profitieren vom Abweiden, der Artenreichtum wird gefördert. Wenn gemulcht wird, gehen die kleinen Pflanzen unter", erklärt Christina Romer vom Landschaftserhaltungsverband. Die von der Herde erzielten Ergebnisse seien eine gute Voraussetzung für die Verlängerung des Pachtvertrags.

Im vergangenen Jahr hatte Bajerke die Weiden in Wittichen noch mit üblichen Standard-Netzzäunen eingegrenzt. Damit hatten die zahlreichen Rehe dort aber Probleme, sie blieben hängen.

"Wir sind hier nur Gast in der Heimat der Rehe", sagte sich Bajerke und installierte neue Weidezäune aus unter Strom stehenden weißen Bändern. Bei Störungen bekommt er eine SMS aufs Handy, kann darüber auch die Netzspannung abfragen oder abschalten. "Ist erst dreimal in diesem Jahr passiert", erzählt er.

Den Strom für die neuen, vor vier Wochen angeschafften Geräte kann er bei den Anwohnern abzapfen. Die früheren, mit Solarstrom betriebenen Zäune waren nicht zuverlässig genug gewesen. Schafe und Ziegen merkten genau, wenn mangels Sonne die Spannung abfiel und hauten ab.

Auch die Witticher Herde wandert und bleibt nicht das ganze Jahr dort. "Bei der H.A.U. in Schramberg fangen wir das Jahr an, dann ziehen wir hierher, anschließend geht’s zum Heubachtal in Schiltach, dann wieder zurück zur H.A.U.", erzählt Bajerke. Die Herde lässt er sich nur soweit vermehren, dass der Bestand erhalten bleibt. Viele Lämmer hat er mit der Flasche hochgezogen.

Alte Schafe und Ziegen bekommen für ihr Gnadenbrot leichteres Gelände zum Abweiden. Einmal im Jahr werden die Schafe geschoren und zwar im Stall. "Denn die Rossbremsen sind beim Scheren der große Feind." Die Wolle deckt in der Regel nur die Kosten fürs Scheren.

Die Tiere heißen "Dreifuß" und "Ludwig"

Alle tragenden Tiere der Herde haben Namen, zum Beispiel "Dreifuß", "Drilling", "Ludwig", "Leo" oder "Lumpi". "Wenn sie mal verschwunden sind, kommen sie, wenn ich sie rufe, die anderen laufen dann hinterher", erzählt er. Bis ein Tier auf den Namen hört, dauere es mindestens vier Jahre. Der 15 Jahre alte Ziegenbock "Heimkehrer" hat seinen Namen, weil er bei der H.A.U. ausgerissen war und dann alleine über den Paradiesberg zum Glasbach gefunden hat, dem Schramberger Stützpunkt von Bajerke.

Im April fängt die Weidesaison an, dann geht es raus aus dem Stall, im November wieder rein. Den nächsten Winter verbringen die Schafe in einen Stall in Freudenstadt mit großer Außenfläche. Mit dem richtigen Kraftfutter gibt es dann an Weihnachten die ersten Lämmer. Die Ziegen kommen nach Schramberg in den Glasbach.

Diplom-Agraringenieur Bajerke hat Agrarwissenschaft studiert. Für das Regierungspräsidium Stuttgart ist er öffentlich bestellter und vereidigte Sachverständiger ("Erkundung und Beurteilung nichtpathogener Schadensursachen im Pflanzenbau"). Die Schäferei hat Walter Bajerke früher als Nebenberuf betrieben, seit 1999 macht er es hauptberuflich – und hat es bislang noch nie bereut. "Ich bin jeden Abend glücklich", verrät er.