Martina Dieterle in ihren Atelier. Sie hat gelernt, den Lauf der Dinge zu akzeptieren, auch wenn’s schwerfällt. Foto: Schmidtke Foto: Schwarzwälder-Bote

Blick ins Atelier von Martina Dieterle / Schenkenzeller Künstlerin stellt ab Freitag in Schiltach aus

Von Karin Schmidtke

Schenkenzell. Die Sonne reißt ein Loch in die Wolkendecke. Ihre Strahlen dringen durch das Glas des Wintergartens, leuchten auf Farbtuben, Pinsel, Gefäße, eine großformatige Leinwand. Das Atelier von Martina Dieterle ist stimmungsvoll. Ab Freitag, 5. September, stellt sie aus.

"Im vergangenen Herbst war ich in der Trauer um meine Oma, die mit 97 Jahren starb. Da habe ich das Leben reflektiert und festgestellt, dass alles ein beständiger Wandel ist", erklärt Martina Dieterle, Künstlerin aus Schenkenzell und fügt an: "Es tat mir gut, mich draußen zu bewegen, den Rhythmus zu erleben, den die Natur vorgibt".

Parallel zur inneren Einkehr entstanden im Atelier verschiedene Werke. Es riecht dort ohnehin immer ein wenig nach Öl und Terpentin, nach Pigmenten und Acrylfarben. Einige fertige Bilder stehen angelehnt an den Wänden. Arbeiten, die auf ihre Weise den Tod als normalen Lauf der Welt akzeptieren. Es ist ein Kommen und Gehen. Die Natur lebt es vor und der Mensch mit ihr. "Im Herbst kommt das letzte Intermezzo. Das Nochmal-Aufblühen im farbigen Blätterrausch. Dann vergeht alles und kommt im nächsten Jahr frisch. Es darf alles so sein", sagt die Künstlerin, die "Naturbilder verschafft" hat. "Die Natur ist immer sehr viel perfekter. Ich will sie auch nicht kopieren. Ich will nach meiner Art zeigen, was ich schön daran finde", definiert die 51-Jährige.

Die beiden letzten gelben Blätter, die eine Böe von ihrem Lieblingsbaum am Haus wehte, malte sie in groben Pinselstrichen. Fast fühlt man als Betrachter den Windstoß. Gewichtiger ist aber das Bewusstsein dahinter, dass das Gehen in Ordnung ist. Intuitiv sammelte die Schenkenzellerin im Frühjahr alte Blätter, hat sie gewaschen, gepresst – und abgewartet. Dann kam die Inspiration durch einen Bilderrahmen, den sie irgendwo entdeckte. Mit Sprühkleber wurden die Blätter direkt auf dem Glas befestigt. In der Mitte entstand ein neues Pflänzchen, gemalt von Blatt bis zu den Wurzeln. Der Kreislauf des Lebens.

"Vor zwei Jahren habe ich beim Walken lauter kleine Holzstücke gesammelt. Das war eine Zeit, in der ich innerlich zerrissen war. Man sieht lauter kleine Puzzlestücke, bekommt sie nur nicht richtig zusammen", gesteht Martina Dieterle die Phase. Vor einiger Zeit fand sie eine Lösung, ordnete die hölzernen Fragmente meditativ-kreisförmig an. "Du musst in die Mitte", ergründete sie. Las sich in das Thema Spirale ein, hinterfragte es ethnologisch. Eine sich nach innen drehende Spirale wuchs. "Ich konnte es lange nicht. Aber jetzt kann ich die Spirale auch andersrum gestalten", staunt die Künstlerin über sich selbst.

Die neue zweite und sich nach außen drehende Spirale entsteht aus gebogenen und getrockneten Weidenruten. Alles hat seine Zeit. Im Frühjahr wollte sie gerne Flüsse malen, aber es ging einfach nicht. Manchmal lässt sich ein Thema nicht malen. Noch nicht. Aber stattdessen leuchtet jetzt ein Lichtstrahl aus einem Wirsingkopf heraus ins düstre Grau.

Daneben steht unter dem Titel "Weisheit, Güte, Verständnis" ein Werk als Dank an alle Großmütter. Zart gemalt, veranschaulicht es das stilles Einverständnis zwischen Enkeln, Urenkeln und den Ahnen. Fast wirkt es kitschig, ist es aber doch nicht. Die "Innere Klarheit", nach der man manchmal tief in sich sucht, gemalt als Kristall im Meer. Weit oben tobt die See. Im Haar der stolzen "Windsbraut" wütet der Sturm.

Voller Utensilien, die meisten ordentlich aufbewahrt, ist der Keller der Künstlerin. Es riecht nach Leim. In einer Kiste liegen sortierte Kleinteile. Metallstücke, Stoffe, Kreide und Farben gesellen sich zu Funden aus der Natur. Martina Dieterle sprüht vor Ideen. Nicht alle werden sofort umgesetzt. Alles zu seiner Zeit. "Nichts ist so beständig wie der Wandel. Diesen Spruch hat Heraklit 500 vor Christus schon gesagt. Ich lerne, ihn für mich zu akzeptieren. Auch wenn es mir schwerfällt", gesteht Dieterle.

In der Rothaldestraße 36, in der ehemaligen Wohnung der Großmutter, ist eine Galerie entstanden. Dort hängen im Moment Nelson Mandela, klapperdürre Fotomodelle und pubertär-schrille Teenager neben Jahreszeiten, sozialkritische Kollagen. Generationenkonflikte. Öffnungszeiten gibt es nur nach Vereinbarung. Rund zwei Dutzend Bilder wird man aber in der Ausstellung "Beständiger Wandel" sehen können.

u Vernissage ist am kommenden Freitag, 5. September, um 19.30 Uhr im Schiltacher "Treffpunkt". Die Ausstellung dauert bis zum 26. Oktober. Öffnungszeiten sind mittwochs, freitags und sonntags von 14.30 bis 17.30 Uhr.

Weitere Informationen: www.martina-dieterle-art.de