Zimmertheater begeistert mit Schillers "Kabale und Liebe" das Premierenpublikum

Von Bodo Schnekenburger

Rottweil. Es ist mehr eine ebenso düstere wie scharfe Anklage denn eine offene Abrechnung mit dem System: Was Friedrich Schiller in seinem Trauerspiel "Kabale und Liebe" vor 230 Jahren formuliert, zeigt die ganze Lächerlichkeit eines absolutistischen Hofes.

Gegen das Funktionieren im Spiel aus Unterwerfung und Intrige kann die Fragwürdigkeit dieses Hofes faktisch nicht ankommen. Ob aber so etwas wie eine "schöne Seele" darin Platz findet? Ob reine Liebe als ernstzunehmende Kategorie und Aufbegehren als Impuls zum Aufbruch sein können?

Das Ende ist tragisch, und das ändert sich auch in der Inszenierung von Peter Staatsmann, die am Freitagabend am Rottweiler Zimmertheater Premiere feierte, nicht. Die verlogene Machtdemonstration eines Staatsapparats, in dem alle auf ihre Vorteile bedacht sind, endet im Tod der Liebenden – deren Glück längst seine Unschuld verloren hat. Die Spieler gehen ab, es herrscht Stille, die man "beklommen" oder "betroffen" nennen könnte, bevor sich lange anhaltender Applaus entlädt.

Das ist die Geschichte, die sich in zweieinhalb Stunden ausbreitet. Und zwar auf denkbar engem Raum: Die Bühne hat einen Deckel bekommen. Die Figuren werden vom Publikum quasi wie durch ein Laborfenster beobachtet. Serviert wird das Ganze von Pia-Michaela Barucki (Luise und Lady Milford), Andreas Ricci (Sekretär Wurm und Ferdinand, Sohn des Präsidenten), Martin Olbertz (Miller und Präsident von Walter) und nicht zu vergessen Countertenor Bagdasar Khachikyan, der Hofmarschall von Kalb eine Breitseite an Lächerlichkeit mitgibt, die teilweise groteske Züge annimmt. Staatsmann hat ihm noch eine Rolle zugedacht: Es ist Khachikyan, der die Stimmungen im Publikum steuern kann. Sein Gesang taucht das Spiel zunehmend in atmosphärische Kontraste. Das geht einher mit der Verdichtung des zunächst unbestimmten Exposés. Die Spitze erreicht die Musik im Umschalten von Kurt Weills Exil-Habanera "Youkali" in den "Cold Song" aus Henry Purcells "King Arthur".

Da ist auch das Spiel ein anderes geworden, fast atemlos rhythmisiert jetzt. Zäsuren erlauben nur noch die Auftritte des possenhaften Hofmarschalls. Ganz erstaunlich meistern alle drei Schauspieler indessen die Doppelbesetzungen, die ihnen zweierlei abverlangen: Sie sind die Antipoden in einer Person – und sie müssen diese Antipoden soweit entwickeln, dass sie ins Gegenteil ihrer ursprünglich vermuteten Disposition umschlagen. Denn auch das hat Schiller ins Stück geschrieben: die zwei Seiten, die in einem Menschen schlummern und je nach Entwicklung der Rahmenbedingungen, der Erfordernisse, die neue Situationen mit sich bringen, auf die Probe gestellt werden und zum Ausbruch kommen. Staatsmann hat nicht zuletzt diesen Aspekt mit seinem hervorragenden Personal ebenso analytisch wie ergreifend ausgearbeitet. u Die nächsten Vorstellungen sind am Freitag und Samstag, 31. Oktober und 1. November. Kartenvorbestellungen sind unter Telefon 0741/89 90 möglich.