Die Lastwagen der Marktbeschicker rollen früh morgens in die Fußgängerzone. Foto: Merk

Händler fordern vom Rathaus Satzungsänderung. Anwohnerin und Kunden unterschreiben Liste. Mit Kommentar

Rottweil - Seit Jahren bauen die Händler ihre Waren um 5.30 Uhr auf. Doch jetzt hat sich erstmals ein Anwohner beschwert. Mit einer Unterschriftenaktion wollen die Marktbeschicker erreichen, dass die Satzung geändert wird, die bisher einen Aufbau erst ab sechs Uhr vorsieht.

Mittwochmorgen, 5.30 Uhr in der Fußgängerzone Rottweil. Außer Marktbeschickern ist um diese Zeit fast niemand zu sehen. Nur ein paar Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Gemüsehändler Giovanni Giancreco entlädt bereits seinen Lastwagen. Er baut seinen Stand für den Wochenmarkt auf, platziert die Waren und die Preisschilder. Dies macht nicht besonderen Lärm, geht aber auch nicht lautlos vonstatten. Zu laut für einen der Anwohner. Er hat sich über die frühen Aufbauarbeiten beschwert. Und das, obwohl Giancreco weder mit anderen Beschickern laut lacht noch diskutiert. Aber die Motoren der Lastwagen brummen und die Tische kläppern beim Aufbau.

Auch zu Gianreco ist es durchgesickert, dass sich ein Anwohner beklagt hat. Und dass er Recht hat mit seiner Beschwerde: Laut Satzung dürfen die Beschicker erst um 6 Uhr mit dem Aufbau beginnen, nicht schon um 5.30 Uhr.

Giovanni Giancreco baut in Hochgeschwindigkeit seine Tische auf und hat kaum Zeit für ein Gespräch. Ein paar Sätze sind ihm dennoch zu entlocken. Er verstehe zwar die Beschwerde, fragt sich aber gleichzeitig, was man wolle: Das "Flair" des Marktes erhalten oder den Beschickern Steine in den Weg legen.

Denn ein Kunde, den er wegschicken muss, weil er noch nicht aufgebaut hat, der kommt nicht wieder, weiß er. Und schließlich sei es nur einer, der sich gemeldet habe.

Die Satzung wollen Marktbeschicker wie er deshalb mithilfe einer Unterschriftenliste und eines Schreibens, das sie ans Rathaus schickten, ändern. Damit wollen sie gegen die Beschwerde vorgehen.

Unterschrieben haben Bürger und Kunden wie Regina Bohn, die direkt an der Fußgängerzone wohnt und unmittelbar betroffen ist. Ihr ist es "schleierhaft", wieso sich ein Anwohner beschwerte. Schließlich gebe es schlimmere Störungen, zum Beispiel nächtliche Randale von Jugendlichen. Bohn ist dafür, die Praxis beizubehalten, dass die Marktbeschicker früh anfangen mit dem Aufbau und Kunden wie ihr frische Artikel direkt vor der Haustüre verkaufen. Denn: "Mittags ist der Markt rum", sagt sie.

Praxis beibehalten

Die Marktbeschicker selbst haben ein großes Interesse daran, die jetzigen Zeiten beizubehalten, auch wenn sie gegen die Satzung verstoßen. "Konsequenzen gibt es bisher nicht", sagt Gemüsehändler Michael Obergfell aus Deißlingen. So lange wolle er weiter machen wie gehabt. Wenn er bis 7 Uhr fertig sein wolle, müsse er vor 6 Uhr mit dem Aufbau beginnen.

Und die Händler wollen jeden Kunden bedienen, auch wenn er schon um 6.30 Uhr kommt und nicht erst ab 7 Uhr, wie von der Stadt vorgesehen. Also behalten sie ihre Praxis bei, obwohl der Anwohner, der sich beschwert hat, theoretisch Recht hat.

Marktsprecherin Adeline Wurz betont, es sei mittlerweile eine Angelegenheit zwischen Rathaus und Marktbeschickern geworden. Sie versteht nicht, wieso nach jahrelanger Gewohnheit sich jetzt ein Anwohner beschwert. Sie möchte sich seiner Klage nicht beugen, hat ihre Kunden im Blick. "Sie sind es seit 20 Jahren so gewohnt", betont sie. Die Händler stünden unheimlich unter Druck, das Sortiment rechtzeitig aufzubauen und mit Preisen zu versehen. Mit der Unterschriftenaktion möchte sie eine einvernehmliche Lösung mit den Stadträten erreichen.

Dann wäre das "Theater" vom Tisch, sagt Obst- und Gemüsehändler Michael Obergfell. Deswegen unterstützt er die Aktion.

Eingespieltes System

Außerdem gibt es logistische Gründe für den früheren Zeitpunkt. Die Marktbeschicker haben sich abgesprochen, wer wann in die Hauptstraße einfährt. Dieses eingespielte Vorgehen wollen die Händler nicht aufgeben, nicht wegen einer Person. Und so bleibt es dabei, bis entweder die Satzung geändert wird oder der Anwohner Ruhe gibt: Die Marktbeschicker bauen ihre Waren früh morgens vor 6 Uhr auf, geben sich Mühe, nicht laut zu reden oder zu lachen und die Arbeitsgeräusche so weit wie möglich zu reduzieren. Die Unterstützung der Kunden haben sie.

Kommentar: Satzung ändern

Von Patrick Merk

Seit Jahren störten die Aufbauarbeiten für den Wochenmarkt niemanden. Weil sich aber jetzt ein Anwohner in seiner Beschwerde gegen den frühmorgendlichen Aufbau auf die städtische Satzung beruft, wollen die Händler die Stadträte mithilfe einer Unterschriftenaktion dazu bewegen, die Satzung zu ändern. Richtig so! Denn ein Anwohner im Kern einer großen Kreisstadt muss damit leben, dass es einen Wochenmarkt gibt, der auch Frühaufsteher bedient. Außerdem handelt es sich um eine halbe Stunde – für die Beschicker ein sehr wertvolles Zeitfenster, um ihre Aufbauarbeiten zu koordinieren. Sie brauchen diese halbe Stunde mehr als der Anwohner, der sich beschwert. Die Stadträte müssen nun entscheiden, ob sie den Marktbeschickern mit einer Satzungsänderung unter die Arme greifen wollen.