Wilde Frau Fotos: Hildebrand Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Restaurator Fabian Schorer spricht beim Förderverein Münsterbauhütte über die laufenden Arbeiten

"Das Münster ist höchst spannend", sagte Restaurator Fabian Schorer im Münsterstüble, als er im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Fördervereins Münsterbauhütte von seiner Arbeit bei der laufenden Renovierung berichtete.

Rottweil. Mit dem Hubsteiger kommt er so nahe an Decken und Wände im Münster wie kein anderer seit 100 Jahren. Was er da zu sehen bekam, zeigte er auf interessanten Fotos. Ein wichtiges Anliegen ist natürlich die Reinigung des Münsters von Ruß und Schmutz der vergangenen 100 Jahre.

Was sich da alles ablagert und nun zum Vorschein kommt, sorgte allgemein für Staunen. Die Kirchenbesucher tragen mit ihrer modernen Acrylbekleidung auch dazu bei, dass in den Schmutzablagerungen hoch droben elektrostatisch geladene Textilfasern gefunden werden. Die können nicht einfach abgesaugt werden, weil sie im langen Rohr des Staubsaugers wieder anhaften würden. Hier muss Schorer mit ionisierter Luft arbeiten. Wolle oder Leder wären das ideale Material für die Kleidung der Gottesdienstbesucher, sagte er.

Das Tempo beim Aufheizen, die Aufwirbelung der Luft dabei, die Geschwindigkeit bei der Abkühlung, all das wird bei der künftigen Steuerung der Heizungsanlage im Fokus der Techniker stehen. Unter der heutigen Bemalung von 1915 zeige sich an manchen Stellen noch die Bemalung aus der Gotik mit ihrem üppig-grünen Rankenwerk, Blumen und Heiligenfiguren, "wie unter einer Laube", sagte Schorer.

Wie man den Schmutz von den Steinen und den Leimfarben der Decke entfernen kann, dazu wurden zahlreiche Versuche unternommen. Als ein Segen habe sich die Anschaffung des modernen Lasers durch den Förderverein erwiesen. Mit diesem Gerät lassen sich die Anhaftungen Schicht um Schicht schonend verdampfen, ohne das darunter liegende Material oder die Farben zu schädigen. Sogar die Stuhlwangen werden so von etlichen im Laufe der Zeit nacheinander aufgetragenen Lackschichten befreit und dann mit einer Lasur behandelt.

Aus der Nähe hat der Restaurator ein Schadbild analysiert, das sich in zahlreichen Rissen und Verschiebungen der tragenden Rippen zeigt. Mit einem Metalldetektor konnte nachgewiesen werden, dass sämtliche gelockerten Rippen kein verbindendes Metallstück zur Nachbarrippe haben. Auch fehlte dort der Bleiverguss zwischen den Rippen, der für die Kraftschlüssigkeit unter den netzartig verbundenen steinernen Bauteilen sorgt.

Nachdem nun ein Jahr lang akribisch nach den Ursachen geforscht wurde, konnte in diesen Wochen die Reparatur beginnen. Schorer zeigte an Hand von aktuellen Fotos, wie er die bei nicht ganz sachgerechter Sanierung von 1915 geschaffene Situation korrigiert.

Es entstand auch eine lebhafte Diskussion darüber, dass sich vor dem großen Chorbogen sowohl im Boden als auch in der Wand bis oben Spuren, sogar regelrechte Verletzungen finden, die, so Schorer, auf einen früher vorhandenen Lettner schließen lassen. Peter Hugger wusste, dass noch für das Jahr 1743 ein Lettner urkundlich belegt ist.

Interessant ist die Jahreszahl 1493, die Schorer auf einem Pfeiler im Südschiff fotografierte. Genau darüber sind auf den Konsolsteinen der Narr mit Dudelsack, der Teufel, die Wilde Frau und der Wilde Mann dargestellt. Ein solches Figurenensemble, so der Volkskundler Werner Mezger, sei nicht zufällig. Hierfür habe es literarische Vorlagen gebraucht.

Tatsächlich erschien 1494 in Basel das berühmte Buch "Das Narrenschiff" des Straßburger Humanisten Sebastian Brant mit vielen Holzschnitten, die allesamt Narren zeigten. 1497 folgte die ebenfalls reich bebilderte lateinische Ausgabe von Jakob Locher. Sie gelangte offenbar schon kurz nach Erscheinen in die Bibliothek der Rottweiler Lateinschule.

Das Originalexemplar von 1497 liegt jedenfalls noch heute in der Gymnasialbibliothek des Albertus-Magnus-Gymnasiums. In Straßburg predigte Geiler von Kaysersberg, ein "Kanzel-Star" seiner Zeit, ein ganzes Jahr lang über das "Narrenschiff". Das war zweifellos auch in Rottweil bekannt. Aus diesem Zusammenhang müssen die Anregungen für die Konsolengruppe gekommen sein.

Zeitlich, so Mezger, passe alles haargenau: 1493 der Strebepfeiler, wohl noch im selben Jahr das Dach, 1494 das "Narrenschiff", 1497 dessen lateinische Ausgabe samt entsprechenden Bildvorlagen. Mit diesem Wissen ging man an die Konsolsteine im Südschiff von Heilig-Kreuz. Tatsächlich wird das Gewölbe dort auf 1497 datiert.

Man sieht, das Münster bleibt nach wie vor höchst spannend.