Somalier aus dem Asylbewerberheim in Rottweil erzählen von ihren Schicksalen. Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder-Bote

Im Asylbewerberheim in Rottweil leben 180 Flüchtlinge / Drei schildern ihre Flucht aus Somalia

Von Anja Schmidt Rottweil. 180 Flüchtlinge warten im Asylbewerberheim in Rottweil auf ihre Anerkennung. Drei von ihnen erzählen von ihrer Flucht aus Somalia. Erzählen von Hunger und Folter, und auch von einem Vater, der Gesundheitsminister war.

Jama redet nicht gerne von seinen Problemen in seiner Heimat. Er war ein einfacher Fischer, und sein Leben gefährdet. Mehr möchte er nicht sagen. Schon allein, um seine Frau zu schützen. Nur soviel: er stand im Visier der Taliban. Seine Frau musste er in Somalia zurücklassen. Sie nun nach Deutschland zu holen, scheint ihm undenkbar: Sie würde auf der Flucht vergewaltigt werden. Jamas Englisch ist brüchig. Doch auch die wenigen Worte reichen, um die Ausmaße seines Schicksals zu erkennen.

Seine Flucht führte über Äthiopien in den Sudan. 1300 US-Dollar hatte er für die Flucht mitgenommen, erzählt der 35-Jährige. Viel zu wenig für seinen weiteren Fluchtweg durch Lybien. Als aufflog, dass er das Geforderte nicht bezahlen kann, wurde er in einem kleinen Dorf gefangen gehalten. Die vier Monate, die er dort verbrachte, sollten zum Martyrium werden. Jama war Demütigungen, Schlägen und grausamen Foltermethoden ausgesetzt. Die Menschen um ihn herum starben, erzählt er. In den letzten Tagen seiner Gefangenschaft bekam er kein Essen mehr, und, wie er vermutet, unreines Wasser, weil er unter starkem Durchfall litt. "Sie wollten, dass wir alle sterben".

Aber Jama überlebte. Zu Hilfe kam ihm ein Bombenangriff auf das Dorf. Die Wächter flohen, und er konnte entkommen. Hungert und bettelnd erreichte er Tripolis. Dort wurde er mit 104 weiteren Menschen ohne Essen und Trinken auf ein "selbstgebautes, viel zu kleines Flüchtlingsboot" verfrachtet, und auf die Reise nach Italien geschickt. Fünf Stunden habe die Fahrt gedauert, bis ein italienisches Marineboot sie rettete „"Eine Stunde länger und keiner hätte überlebt". Doch Italien war nicht Jamas Ziel. Ungehindert ließen die Italiener ihn ziehen. Allerdings mit der Vorgabe: "Du hast 24 Stunden Zeit, Italien zu verlassen."

Mit dem Zug erreichte er über Frankreich (der schnellste Weg raus aus Italien) Deutschland. Die deutschen Polizisten seien die ersten seit Monaten gewesen, die ihn menschenwürdig behandelt hätten. Er konnte sich waschen, sie gaben ihm neue Kleidung und etwas zu essen. Über das Auffanglager in Karlsruhe kam Jama nach Rottweil, wo er seit drei Monaten auf die Genehmigung seines Antrags hofft.

Die leeren Augen von Abdi sprechen Bände. Seine Liebe zu einer Äthiopierin wurde ihm zum Verhängnis. Er setzte sich über die Stammesgesetze hinweg und heiratete sie. Geblieben ist ihm nichts. In Somalia wurde er geächtet und mit dem Tod bedroht. Äthiopien nahm ihn nicht auf, und seine Frau musste er zurücklassen. Auch er nahm den Weg Richtung Italien. Seine Erzählung verdeutlicht die erbarmungslose Auswahl. Nur die Stärksten schaffen es bis Deutschland. Abdi hatte einiges an Geld. Dieses reichte bis Tripolis. Dort erbettelte er sich den Rest für die Überfahrt nach Italien. Weiter wollte er gar nicht. Einfach nur in Sicherheit sein und arbeiten, sagt er. Doch nun sitzt er in Rottweil, ohne arbeiten zu dürfen, und der Angst, abgeschoben zu werden.

Während die Beiden in der Asylbewerberunterkunft erzählen, füllt sich der kleine Raum mit immer mehr Menschen. Einer von ihnen ist Ahmed. Er ist groß und gutaussehend. Trägt Markenkleidung. Er entspricht nicht dem Bild von armen Flüchtlingen. "Ich möchte meine Geschichte auch erzählen", sagt er in perfektem Englisch. "Ich hatte ein sehr gutes Leben. Wir waren sehr, sehr reich." Und er betont ebenfalls: "Mein Vater war Gesundheitsminister von Somalia". Die Wende in seinem Leben sei vor sechs Jahren gekommen. Die Regierung wurde von Rebellen gestürzt. "Mein Bruder schaffte es nicht, er wurde ermordet", erzählt er. Der Familie gelang die Flucht nach Nairobi. Inzwischen seien seine Familienmitglieder auf mehreren Kontinenten verteilt. "Wir bekamen nicht alle Visen für dasselbe Land".

Ahmed erhielt ein Visum für Italien. Einen Monat konnte er sich damit frei bewegen. Mit dem Auto erreichte er Deutschland. – Nun wartet auch er in Rottweil auf die Anerkennung.