Schritt ins Berufsleben: Die IHK unterstützt Integration. Foto: IHK

Ausbildungsplätze: Unternehmen wollen Flüchtlingen bei der Integration helfen. Realität zeigt: Umsetzung birgt oftmals Tücken.

Schwarzwald-Baar-Heuberg - Handwerk und Handel in der Region beurteilen den Zustrom an Flüchtlingen positiv. Durch Praktika sollen Asylsuchende unterstützt und in die Arbeitswelt integriert werden. Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Was in der Theorie gut klingt, bringt in der Praxis Probleme mit sich.

 "IHK will integrieren", "Handwerk sieht Flüchtlinge als Chance für die Zukunft" – Schlagzeilen wie diese sind in den letzten Wochen immer wieder in den regionalen Nachrichten zu lesen. Vertreter aus Handel und Handwerk blicken positiv in die Zukunft, der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg wird der Zustrom an Flüchtlingen nützen. Im selben Atemzug wird allerdings überregional von Problemen der Integration berichtet. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles weist darauf hin, dass nicht einmal jeder zehnte Flüchtling die Voraussetzungen für eine Ausbildung mitbringt. Lothar Semper, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer München und Oberbayern, ließ im Oktober dieses Jahres verlauten, dass 70 Prozent der Flüchtlinge ihre Ausbildung abbrechen. Ist also in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg alles anders?

Klaus Helm, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Rottweil-Villingen-Schwenningen, will sich dazu nicht äußern: "Wir haben keinerlei Statistiken über mögliche Abbruchquoten." Eines könne er aber sicher sagen: Viele Flüchtlinge wollen das Bildungsangebot in Anspruch nehmen. "Die Bereitschaft Deutsch zu lernen ist da, die Klassen sind voll."

Die Agentur für Arbeit und die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg sind eng vernetzt, um die Flüchtlinge in die Arbeitswelt zu integrieren. Letztere hat in der letzten Zeit etwa 2400 Unternehmen in den Landkreisen Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Rottweil angeschrieben. Das Ergebnis: 415 Unternehmen können sich vorstellen, Flüchtlingen Praktikumsplätze anzubieten. Die Bereitschaft zu helfen ist also da. Doch sind wirklich genug Stellen zu besetzen?

Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt ein französischer Staatsbürger von seiner Job-Suche in der Region. Der 34-Jährige hat sich zum Ausbildungsstart 2016 für verschiedene Berufe beworben. Er spricht gut Deutsch, hat in seiner Heimat die Fachhochschulreife abgeschlossen, macht einen Fernkurs zum Elektroniker. Etwa 30 Bewerbungen im Elektronik- und Mechatronikbereich habe er geschrieben – auf Rückmeldung von etwa zehn Firmen wartet er bis heute, andere möchten sich Zeit lassen und melden sich schlussendlich nicht mehr zurück. Dabei wurde die Situation auf den Berufsmessen, die der gebürtige Franzose in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg besucht hatte, optimistisch eingeschätzt. Es gebe genug Stellen, besonders in dem von ihm angestrebten Berufsbild. Eine Geschichte, die im Widerspruch mit den Integrationsplänen der IHK zu stehen scheint.

Angesprochen auf diesen Fall erklärt Martina Furtwängler, Geschäftsbereichsleiterin für Bildung und Qualifikation der IHK: "Wenn Bewerber und Unternehmen nicht zusammenpassen, kann man daran nichts ändern." Sie räumt allerdings ein, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen den Flüchtlingen gewisse Vorteile bringt. "Wir haben eben gute Kontakte, die wir dementsprechend nutzen können", sagt Furtwängler. Sie glaube aber nicht, dass andere Bewerber dadurch benachteiligt werden.

"Wir müssen den Leuten erst klar machen, wie wertvoll eine duale Ausbildung sein kann, was für einen Stellenwert sie in Deutschland hat"

Ein weiteres Problem, das sich ergibt, ist die Wahl der Berufe. Mittlerweile gibt es viele handwerkliche Berufe, die einen Rückgang verzeichnen. Viele Deutsche wollen lieber studieren, als eine Ausbildung zu machen. Flüchtlinge haben hierbei oft die selbe Einstellung. "Wir müssen den Leuten erst klar machen, wie wertvoll eine duale Ausbildung sein kann, was für einen Stellenwert sie in Deutschland hat", erklärt Furtwängler.

Von den 415 Betrieben, die bereit wären Praktikumsplätze anzubieten, sind gerade einmal 24 im Kreis Rottweil angesiedelt. Zuerst sei man darüber erschrocken gewesen, heißt es vonseiten der IHK. Letztendlich habe man es auf die Flüchtlingssituation in Rottweil zurückgeführt. "Die Stadt hat keine so großen Aufnahmestellen wie es sie etwa in Villingen-Schwenningen oder Donaueschingen gibt", meint Furtwängler. Daher sei es verständlich, dass Rottweiler Unternehmen nicht so sehr die Notwendigkeit sehen, diesen Menschen Möglichkeiten der Integration anzubieten. Mittlerweile habe man zehn Flüchtlingen einen Praktikumsplatz vermittelt.

Helm und Furtwängler sind sich der Probleme bewusst, die sich beim Thema Integration ergeben. Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg ist dabei kein Sonderfall. "Manche Mädchen können nicht einmal rechnen, weil sie keinen Zugang zu Bildung hatten", erklärt Furtwängler. Man müsse diesen Menschen helfen, in sie investieren, damit sie "mittelfristig und langfristig" den Fachkräftemangel ausgleichen können. "Die Menschen sind viel zu ungeduldig", ergänzt Helm. "Alles muss immer ruck zuck gehen." Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, koste Zeit.

Auf dem Papier klingt der Plan der IHK und den anderen beteiligten Institutionen gut. Auf Anfrage zeigen sich viele Unternehmen wie etwa das Werkzeugbauunternehmen Betek aus Aichhalden, ddm hopt+schuler aus Rottweil oder die in Schiltach ansässige Firma Hansgrohe solidarisch gegenüber Flüchtlingen. Jörg Hass von Hansgrohe sagt beispielsweise, grundsätzlich sei man offen, nicht nur Praktikums-, sondern auch Ausbildungsplätze anzubieten. Heckler und Koch möchte sogar speziell für Flüchtlinge Ausbildungsplätze schaffen.

"Macs Software", ein Unternehmen aus Zimmern, hat bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Eine 28-jährige Syrerin wird dort Anfang des Jahres ein vierwöchiges Praktikum in der Entwicklung absolvieren. "Für uns ist das eine ganz neue Situation", meint Manja März von der Marketingabteilung. In engem Kontakt mit der IHK habe man einen Praktikumsplatz für die junge Syrerin geschaffen. Die junge Frau hat bereits einen Bachelor-Abschluss in Software-Engineering. Die IT-Branche bietet dabei einen entscheidenden Vorteil: Da in der Entwicklung eine meist einheitliche und englische Computersprache im Vordergrund steht, sind fehlende Deutschkenntnisse momentan noch kein Problem. Sollte der 28-Jährigen allerdings ein fester Job in Aussicht gestellt werden, wäre die deutsche Sprache von Vorteil. "Dann müssen wir uns eben mehr Zeit für sie nehmen", so März.

"Handwerk sieht Flüchtlinge als Chance für die Zukunft" scheint also in manchen Fällen eine legitime Schlagzeile. Viele Firmen zeigen sich solidarisch, schaffen Ausbildungsplätze, wollen helfen. Doch der Fall des 34-jährigen Franzosen wirf Fragen auf. Er zeigt, dass auch gut geschulte Kräfte auf dem Arbeitsmarkt mit Problemen zu kämpfen haben. Am Ende fand er zwar einen Ausbildungsplatz, der Weg dorthin war allerdings lang – denn auf Kontakte und Beziehungen konnte er nicht zurückgreifen.

Hauptprobleme wie fehlende Deutsch- und Schulkenntnisse sind nicht von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen

Die Hauptprobleme von Flüchtlingen, wie etwa fehlende Deutsch- und Schulkenntnisse, sind nicht von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen. Ein Praktikum ist momentan das einzige, was Flüchtlingen ohne bereits bewilligte Aufenthaltsgenehmigung angeboten werden kann. Im schlimmsten Fall darf man also ein Praktikum machen, und dann trotz positiver Resonanz jahrelang auf die Bewilligung des Asylantrags warten. Ein Faktor, der für Firmen schwer einzuschätzen ist. Obwohl das Programm der IHK gut gemeint ist: Theorie und Praxis liegen oft noch weit auseinander.