André Kaiser (oben links) zeigt die zerfetzte Zeltplane; der Sturm hat das Zelt mitgerissen, in dem bisher Kamele und Pferde untergebracht waren; im Rottweiler Stadtgebiet deckte er Dächer – wie das des Heilig-Kreuz-Münsters (rechts unten) – ab und warf Bäume um. Der Kriegsdamm (unten Mitte) war so blockiert, anderswo kippte eine Tanne auf einen Balkon. Foto: Feuerwehr Rottweil

Zirkus in Zimmern steht nach Unwetter vor dem Nichts / Feuerwehr befreit zahlreiche Straßen von Bäumen

Rottweil/Zimmern o. R. - Ein heftiges Unwetter wütet in der Nacht zu gestern in Rottweil. Für die Feuerwehr bedeutet das einen Dauereinsatz. Für einen Zirkus, der in Zimmern gastiert, die Katastrophe. "23.8.: Ausläufe aufgebaut, Unterstände vorhanden". So nüchtern lautet der Eintrag der Tierärztin des Veterinär- und Verbraucherschutzamts Rottweil, nachdem sie den Circus Kaiser, der gerade am Ortseingang von Zimmern gastiert, begutachtet hat. Gut einen halben Tag später ist nicht mehr viel davon wahr. Keines der vier Tierzelte existiert mehr, nur die Fetzen davon sind der Zirkusfamilie geblieben.

"Innerhalb von Sekunden war alles weg", sagt Juniorchef André Kaiser über die Nacht, die ihm den Boden unter den Füßen weggerissen hat. So richtig fassen kann er noch nicht, was bei dem Unwetter von Donnerstag auf Freitag geschehen ist.

Kurz vor Mitternacht habe es angefangen zu blitzen, erzählt der 26-Jährige. Mit Helfern läuft er nach draußen, um bei den Tieren nach dem Rechten zu sehen. 85 Stück sind es insgesamt, darunter Strauße, Pferde, Kamele, Lamas, Elenantilopen, Bisons und Wasserbüffel. Vier Zelte dienen ihnen als Ställe. Im größten, 40 Meter lang und 15 Meter breit, kommen die Kamele und die Pferde in ihren Boxen unter. "Wir haben die Kamele noch rausgejagt", berichtet Kaiser. "Dann ist das Zelt über uns weggeflogen".

Eine richtige Windhose sei es gewesen, die auf ihn zugekommen sei, beschreibt er, wie ein Tornado. Das Zelt habe es zehn Meter in die Luft gehoben, Eisenstangen mit einem Gewicht zwischen 40 und 250 Kilogramm "sind geflogen wie Zahnstocher". Die Pferdeboxen habe der Sturm um zwei Meter nach hinten verschoben – was die Kaisers nur mit einem Traktor zustande bringen.

Wie ein Wunder erscheint es André Kaiser, dass das Hauptzelt noch intakt ist – die Windhose habe es nicht erwischt. Es wird von den gleichen Spanngurten gehalten wie die Tierunterkünfte. Deren Lastgewicht liege bei fünf Tonnen. Zerrissen sind sie dennoch, genau wie die Zeltplanen.

Dabei hat die Familie Glück im Unglück gehabt: Außer Schürfwunden und einer Schulterverletzung, ist niemandem etwas passiert. Auch die Tiere sind unversehrt.

Doch die Kaisers stehen vor dem Nichts. 40 000 Euro kostet allein das große Zelt, dazu kommen weitere 5000 Euro für die drei kleineren. Das Schlimmste daran: Für "fliegende Bauten" gibt es keine Versicherung. Einen Ersatz kann sich die Familie eigentlich nicht leisten, die Saison war schwierig. Doch sie muss es, denn wie soll sie weiterspielen, wenn sie ihre Tiere nirgends unterbringen kann?, fragt sich der Juniorchef und sagt: "Wir wären über jede Unterstützung dankbar."

Seit neun Generationen sind die Kaisers eine Zirkusfamilie, innerhalb von Sekunden standen sie vor dem Nichts. Trotzdem wollen, ja müssen sie weitermachen. Die Premierenvorstellung gestern Abend sollte wie geplant stattfinden, weitere gibt es heute, Samstag, um 18 Uhr und morgen um 11 Uhr. Weitere sollen stattfinden, ihren Aufenthalt in Zimmern müssen sie ohnehin verlängern.

Auch an Rottweil ist das Unwetter nicht spurlos vorübergegangen. Allerdings sind die Ortsteile – außer Göllsdorf – weitestgehend verschont geblieben, betroffen war vor allem das Stadtgebiet, berichtet Stadtbrandmeister Rainer Müller. Der hatte mit dem Unwetter, das er als "herausragend" bezeichnet, indes gerechnet – wegen der vorhergegangenen, langen Hitzeperiode.

"Diesmal war das Besondere der starke Wind", berichtet Müller. So hatte die Rottweiler Feuerwehr bereits am Donnerstagnachmittag ihren ersten Einsatz. In Rottweil-Altstadt musste sie die von einem Baum blockierte Tuttlinger Straße freiräumen.

Eine ganze Serie ähnlicher Fälle gab es laut Feuerwehrbericht in der Nacht zu gestern. So war der Kriegsdamm blockiert, weil eine umgestürzte Kastanie die Straße versperrte. Mit zwei Motorsägen hätten die Feuerwehrleute "kräftig zu schaffen gehabt", erzählt der Stadtbrandmeister. Ein Baumpflege-Betrieb fällte die Kastanie gestern Morgen dann vollends.

Umgestürzte Bäume und abgerissene Äste blockierten laut Mitteilung auch die König-, Marx-, Feldberg-, Krankenhaus- und weitere Straßen. In der Fichtenstraße war gar eine Tanne auf den Balkon des Nachbargebäudes gestürzt und musste Stück für Stück kleingesägt werden.

Weil im Landkreis in der Nacht von Donnerstag auf gestern zahlreiche Feuerwehren im Einsatz waren, verstärkten drei Rottweiler Feuerwehrleute die Leitstelle, um die ständig eingehende Notrufe zeitnah abzuarbeiten, berichtet Müller. Insgesamt war die hiesige Wehr mit sechs Fahrzeugen und 19 Einsatzkräften unter Müllers Leitung im Einsatz. Einer der letzten dürfte gestern der am Heilig-Kreuz-Münster gewesen sein: Dort hatte der Sturm rund 100 Ziegel herausgerissen.

Nachdem die Löcher gestopft waren, hatten der Stadtbrandmeister und seine Kollegen endlich Feierabend. Der sieht dank seiner langen Erfahrung nach dem starken Unwetter noch eines kommen: "So heiß, wie es war, wird es dieses Jahr nicht mehr."

Weitere Informationen: André Kaiser, Telefon 0162/4 90 77 51