Mit Witz und Fachkenntnis führt Winfried Hecht durch Rottweils Mühlenlandschaft (großes Bild). In Sachen Denkmalpflege ist er sich mit OB Broß (rechts, oben) nicht einig, bei der Dreher’schen Mühle (rechts, unten) sieht er die europaweiten Richtlinien als Problem. Eine weitere Führung fand auf dem ehemaligen Pflug-Areal statt (rechts, Mitte). Fotos: Kammerer Foto: Schwarzwälder-Bote

Wenn es um den Schutz der Rottweiler Historie geht, sind sich Winfried Hecht und OB Ralf Broß nicht einig

Von Kathrin Kammerer

Rottweil. Das Schützenhaus in der Au: In vielerlei Hinsicht ein passender Ort, um den diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" zu eröffnen. Ein Tag, an dem zurückgeblickt wird. Und an dem sich auch kritische Stimmen zu Wort melden.

Die Schützengilde ist Rottweils ältester Verein. Da passt es ja, dass der "Tag des offenen Denkmals" dieses Jahr im Schützenhaus eröffnet wird. Und da bietet sich auch glatt ein Wortspiel an, das im Laufe des Tages noch ein paar Mal auftauchen soll: "Braucht die Denkmalpflege Schützenhilfe?", wirft Oberbürgermeister Ralf Broß bei der Eröffnung in die Runde.

Es ist ein unbequemer Tag – und das unabhängig vom launischen Wettergott. Zum einen geht es um "unbequeme Denkmale". Zum anderen nutzt Rottweils ehemaliger Stadtarchivar Winfried Hecht Anlass und Gelegenheit für die eine oder andere unbequeme Spitze in Richtung Stadt, Land und Denkmalpflege.

Doch zunächst zählt OB Broß zig Projekte auf, bei denen es der Stadt gelungen sei, alte oder leerstehende Denkmäler durch eine Modernisierung wieder mit Leben zu füllen. Das Kapuziner und der Gewerbepark Neckartal werden genannt. Oder die neue Jugendherberge im ehemaligen Dominikanerinnenkloster: Die Glasfront und die Barrierefreiheit dort habe anfangs ja auch keiner gewollt, so Broß. Nun sehe man an dieser Stelle eine gelungene Kombination von Moderne und Denkmal.

Auch den Sanierungsbeirat der Stadt erwähnt der OB lobend. Ein Gremium, das sich den Denkmälern in Rottweil widmet, und in dem unter anderem Handwerker, Bürger, Gemeinderäte sowie Vertreter des Geschichts- und Altertumsvereins sitzen.

Winfried Hecht sieht das nüchterner: So bezeichnet er den Geschichts- und Altertumsverein als die einzige Gruppierung im Sanierungsbeirat, die keine materiellen Ziele verfolge. Und auch allgemein hat er eine etwas andere Meinung davon, was denn nun Denkmalpflege bedeutet.

Hecht ist es auch, der die erste Veranstaltung des Tages leitet: Eine Führung zur Vögtlins-, zur Katzensteig- und zur Dreher’schen Mühle. Im Spätmittelalter lassen sich auf Rottweils Gemarkung übrigens 15 Mühlen nachweisen.

60 Rottweiler lauschen Hecht nun gebannt, unter ihnen sind Lehrer, Historiker, Gemeinderäte, und auch Rottweiler, die im Neckartal geboren sind und die dortige Mühlenlandschaft noch aus Kindestagen kennen. Doch davon ist heute nicht mehr viel übrig. Zahlreiche Gebäude, Wehre und Kanäle sind verschwunden – weil man neu bauen wollte, weil Instandhaltung zu viel gekostet hätte, oder weil es eben Richtlinien vorgegeben haben. Hecht scheut sich heute nicht vor den kritischen Tönen. In der Verantwortung für den Schutz der Denkmäler sieht er primär die Stadt, die sich intensiver und überlegter der Thematik zuwenden sollte. "Wir haben so viele tolle Gebäude in Rottweil, wir müssen nur endlich anständig damit umgehen".

Wenn man ins Neckartal investiere, so Hecht, könne man doch auch in die Sanierung und Rettung von Jahrhunderte alten Denkmälern Geld fließen lassen. Was, so spinnt er den Faden weiter, nutzt schon ein Tourismusleitbild, wenn man die Denkmäler, die Rottweils historischen Charme ausmachen, abreißt oder verrotten lässt?

Als problematisch empfindet Hecht auch europaweite Richtlinien. Solche sind es nämlich, die aus verschiedenen Gründen den Abriss des Wehrs bei der Dreher’schen Mühle verlangen. "Was an einem Fjord in Norwegen oder auf dem Balkan gut sein mag, muss im Neckartal noch lange nicht sinnvoll sein."

Neben den kritischen Untertönen – die mehrmals mit spontanem Applaus aus der Zuhörerschaft quittiert werden – sind es besonders auch die kleinen Anekdoten des ehemaligen Stadtarchivars, die seine Führung so kurzweilig machen. Beispielsweise die von der Vögtlinsmühle: Als 1282 das erste Wehr bei der heutigen Stadtwerken erbaut wurde, sei in den Baurichtlinien festgehalten worden: "Das Wehr muss so breit sein, dass ein Esel drüber gehen kann". Die Zuhörer schmunzeln. Schon damals scheinen die Rottweiler also den Eseln ziemlich verbunden gewesen zu sein.

Am Nachmittag finden weitere Führungen über das ehemalige Pfluggelände sowie die Saline statt. Braucht die Denkmalpflege nun Schützenhilfe? Winfried Hecht zieht ein recht allgemeines Fazit: "Man muss handeln, und nicht nur in Reden am Denkmaltag große Dinge versprechen".