Wer darf’s denn sein? Zwischen Madonna und Rammstein liegen mitunter nur ein paar Blätter Papier. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Ferienzauber: Ennio Marchetto inszeniert die Illusion

Rottweil. Wie viele waren da gestern Abend eigentlich auf der Bühne? Am Ende war’s einer: Ennio Marchetto. Er holt die Stars vom Himmel und präsentiert sie im Zelt unterm Wasserturm.

Dort ist Cabaret-Atmosphäre angesagt. Schwere rote Samtvorhänge definieren den Publikumsraum mit Fokus Bühne. Eigentlich ist die Show des italienischen Künstlers ja eher was für Theaterhäuser und feste Kleinkunstbühnen, doch gestern Abend bezaubert Marchetto auch beim Ferienzauber. Das Rezept ist eben so alt wie einfach und genial: Es geht um Illusion. Bedrucktes Papier und Pappe. Und Musik. Viel Musik. Von "Carmen" bis Queen, von den "Walküren" bis Lady Gaga. Und es braucht Licht, das die Pappe sprichwörtlich "ins richtige Licht" rückt. Und dann braucht es noch einen Künstler, der die Figuren Verinnerlicht hat.

Der Mix ist ziemlich schräg. Oper, Schlager, Volkstümliches, knackige Rock-Klassiker, seichte Pop-Balladen reihen sich aneinander. Marchetto verbindet sie in zwei Versionen. Die eine geht ganz vom Kostüm aus. Das ist die große Quelle, aus der er schöpft. Karnevalskostüme habe der Künstler gemacht, erklärt Reiner Armleder bei der Anmoderation, und er hat schließlich einen Weg gefunden, aus Kostümen eine Show zu entwickeln. Dabei bedient er sich hemmungslos in Hitparaden aus allen Zeiten seit der Romantik, reiht seichtes an vermeintlich hohe Kunst. Der Anknüpfungspunkt ist gegeben, wenn man mit einer Bewegung und ein, zwei Fingerschnipsern die Figur komplett verändern kann. Von Michael Jackson bis Shirley Bassey dauert es nur ein paar Minuten – Zeit für eine ganze Gala an Promis.

Die Kostüme – sie werden nachher wild verteilt auf der Bühne liegen bleiben – brauchen freilich Bewegung, leicht überzeichnete Gestik und Mimik. Das, die Musik, die gestaltete Pappe und das entsprechende Licht machen aus gut einer Stunde Ennio Marchetto ein "Who Is Who" von Giganten und Sternchen. Dabei nimmt sich der Künstler Zeit für ironische Details, was die Sache besonders delikat macht. "Du hast mich tausend Mal belogen" trötet es aus einem Wolfsburger Pappkäfer, der Wettkampf der drei Tenöre ist köstlich, Edwards Papierscherenhände schneiden Papierhaar. Darauf muss man erst mal kommen. Das große Finale ist neben allem Glamour die Krönung: Auftritt der Queen, blassblaues Kleid, dann Männerarme hinter der Pappe und eine Freddie-Mercury-Pantomime trägt den "Union Jack" über die Bühne. Verkleidung, Rollenspiel, mal Changieren, dann tiefes Auskosten von Vorder- und Tiefgründigkeit kulminiert in ein paar Takten. Und noch immer ist alles aus Pappe. Der Sumo-Ringer-Leib mit knappem Wickeltuch genau so wie die Can-Can-Tänzerinnen-Beinchen, die aus dem Rock lugen: eine Pappe mit zwei Seiten als Zugabe, gekonnt inszeniert wie das ganze Starensemble, eine Verführung auf der Bühne, die den Alltag aussetzt und doch das Leben spiegelt.