Wasser ist ein kostbares Gut. So kostbar, dass die Aufgabe eines Versorgungsnetzes nicht so einfach ist. Das haben die Mitglieder Zweckverbands Wasserversorgung am oberen Neckar auch feststellen müssen. Foto: © beeboys / Fotolia.com Foto: Schwarzwälder-Bote

ZVON: Nach heftigem kommunalpolitischen Streit: Verbandserhalt ist plötzlich keine Frage mehr

Von Winfried Scheidel

Sechs Kommunen sind seit gut neun Jahrzehnten in einem Boot für eine Frischwasserversorgung aus dem Quellgebiet der Neckarburg. Über die Bereitstellung wurde monatelang destruktiv diskutiert. Jetzt ist aber klar: Am Verbandserhalt wird nicht mehr gerüttelt.

Kreis Rottweil. Die Informationsveranstaltung am Donnerstagabend in der Graf-Gerold-Halle in Dietingen verlief weit weniger kontrovers, als es die Stimmung bei der letzten Versammlung des Zweckverbands Wasserversorgung am oberen Neckar (ZVON) im Oktober 2015 hatte vermuten lassen. Bereits damals standen hohe Investitionen in die Infrastruktur des Versorgungsnetzes im Raum. Gemeinden wie Deißlingen, Frittlingen, Wellendingen und Rottweil fuhren damals – wohl auch angesichts einer unzureichenden Dokumentation zur Geschäftslage – dem Verband mit der Drohung in die Parade, aus diesem auszutreten, um günstigere Optionen wie Bodenseewasser oder Keckquellen (Deißlingen) wahrzunehmen. Der Dietinger Bürgermeister Frank Scholz sah sich als Verbandsvorsitzender bereits Monate zuvor in einer verzwickten Lage. Mit dem Tagesordnungspunkt Verbandsauflösung wurde die Stimmungslage in den Gemeinden (unnötig?) angeheizt. Dies wurde in Deißlingen, Frittlingen, Rottweil und Wellendingen wohl auch ein wenig als Botschaft verstanden, jetzt könne die Chance am Schopfe gepackt werden, sich wassertechnisch kostengünstiger aufzustellen. Allein in Dietingen und Zimmern u. d. B. sprach die Versorgungsstruktur für klare Bekenntnisse zum unbedingten Erhalt des ZVON.

Dass sich das Blatt deutlich gewendet hat und am Donnerstagabend in Dietingen in nahezu eilfertiger Harmonie unter den Zwist ein Schlussstrich gezogen wurde, hat mehrere Gründe.

Zum einen hatte die Aufsichtsbehörde des Landrats-amtes im Vorfeld klar gemacht, dass es für eine Verbandsauflösung, aber auch für das Ausscheiden einzelner Mitglieder riesige Hürden gibt.

Kreisdezernentin Monika Mayr verweist dazu auf den Vorrang des Näheprinzips. Ortsferne Wasservorkommen seien nur dann zulässig, wenn die Versorgung ortsnah nicht mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden könne. Auch erhebliche Mehrkosten und erhöhter technischer Aufwand seien vertretbar. Öffentliche Wasserversorgung sei Aufgabe der Daseinsvorsorge einer Gemeinde und Pflichtaufgabe. Eine Schwächung der Versorgungssicherheit sei damit nicht vereinbar. Ortsnahe Wasservorkommen dienten auch dem vorsorgenden und flächendeckenden Grundwasserschutz als einem der wichtigsten wasserwirtschaftlichen Leitprinzipien. Mayr: "Der Aufwand beim ZVON ist eindeutig vertretbar."

Laut einem von Jutta Stuible-Treder von der Treuberater GmbH Eversheim vorgestellten wirtschaftlichen Gutachten wird angesichts der in den kommenden 20 Jahren notwendigen Modernisierungs- und Ertüchtigungsinvestitionen von 10,5 Millionen Euro der Wasserbezugspreis für die Gemeinden bis 2036 auf 2,04 Euro steigen. Das sei angesichts der bisherigen Preisgestaltung ein erstaunlicher Wert, der aber immer noch unter dem derzeitigen Durchschnitt im Land (2,20 Euro) liege.

Eduard Leiber von der Fritz Planung GmbH Bad Urach betont bei der Beleuchtung der technischen Gegebenheiten ebenfalls eine solide Zukunftsfähigkeit des Verbandes. Die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden und ENRW-Chef Christoph Ranzinger – als Vertreter der Stadt Rottweil, die für die vier Ortsteile Neukirch, Zepfenhan, Feckenhausen und Neufra ebenfalls Neckarburgwasser bezieht – sehen sich angesichts der durch die Büros konkretisierte Sachlage und die deutliche Rechtslage wieder in einem Boot.

Das müsse nun aber auch den Bürgern verklickert werden, sagt der Wellendinger Bürgermeister Thomas Albrecht mit ordentlich Schalk im Nacken. Er wolle am 24. April wiedergewählt werden. Jetzt könne er dafür ja auch mit einem steigenden Wasserpreis werben, sagt er unter dem Beifall der knapp 200 Besucher launig.

Bevor sich die Versammlung in allgemeinem Wohlgefallen auflöst, melden sich zwei Gemeinderäte aus Deißlingen zu Wort mit dem Hinweis, dass es ihre Gemeinde eine besondere Überwindung koste, bei der Stange zu bleiben, da es ein Klacks wäre, die vor der Deißlinger Haustür liefernden Keckquellen auch für Lauffen nutzbar zu machen. Und dies bei einem weit über die Region hinaus unerreichten Bereitstellungspreis von 32 Cent je Kubikmeter (1000 Liter).

Wenn der frühere Verbandsvorsitzende und Dietinger Altbürgermeister Hubert Burkard solche Vergleiche hört, dann spricht er gerne davon, dass hier unredlich Äpfel mit Birnen verglichen würden. So etwas wiederum hört der Deißlinger Bürgermeister Ralf Ulbrich gar nicht gern. Die 32 Cent seien ebenfalls ein Vollkostenpreis, betont er entschieden. Dies aber nicht, um zu spalten, wie er mit der Feststellung nachschiebt, dass man die Solidargemeinschaft ZVON durch Modernisierungen und strukturelle Verbesserungen stärken wolle.

Die oben angedeuteten Preisunterschiede sind verschiedenen Komponenten geschuldet, wobei auch das sehr weitreichende ZVON-Leitungsnetz eine gewichtige Rolle spielen dürfte.

Mit den Ergebnissen aus der jetzt vorgelegten grundlegenden ZVON-Bestandsaufnahme darf sich die vor allem im vergangenen Herbst stark im Kreuzfeuer stehende Verbandsspitze mit dem Vorsitzenden Frank Scholz und Verbandsrechner Hans Mauch bestätigt sehen. Im Dezember hatten die beiden im Gespräch mit dem Schwarzwälder Bote die Zukunftsperspektive für den ZVON deutlich positiv beurteilt. Jetzt – im Zug der positiven Testate von unabhängigen Büros – ist sich Scholz nicht zu schade, auch selbstkritisch an die Brust zu klopfen. Nicht alles sei in den vergangenen Jahren mit der notwendigen Akribie und Energie vorangetrieben worden, räumt der Dietinger Schultes ein.

Geniert hat man sich dabei wohl auch davor, der Öffentlichkeit die notwendige Preisbildung für das Neckarburgwasser zu vermitteln. Das ist jetzt endlich geschehen. Kritiker sagen, dass die Bürger aber noch viel mehr mitgenommen werden müssten beim Thema Frischwassergewinnung vor der eigenen Haustür. Von einer Transparenzoffensive sei man noch weit entfernt, werden diesbezüglich auch ausführliche Dokumentationen übers Internet gefordert.

Frischwasser aus den Neckarburgquellen ist viel zu wertvoll, um es einfach so den Bach runter laufen zu lassen. Diese Erkenntnis hat sich jetzt klar durchgesetzt, nachdem es im Zweckverband ein monatelanges Lavieren zu einer in den Raum gestellten Auflösung gegeben hatte. Das hochwertige Lebensmittel darf den Menschen nicht vorenthalten werden. Das Wasserhaushaltsgesetz spricht eine deutliche Sprache, was den Erhalt wertvoller Quellressourcen betrifft, die vor der Haustür sprudeln. Dass andere Wasserbezugsquellen für einige der sechs Mitgliedsgemeinden günstiger anzapfbar wären, spielt wegen des Schutzes des hohen Gutes eine untergeordnete Rolle. Bei der Informationsveranstaltung in Dietingen zeigten viele Bürger deutlich Flagge für eine noch lange Verbandszukunft. Dies auch mit dem klaren Fazit: Gezerfe wegen zwei bis drei Euro für 1000 Liter Wasser ist völlig fehl am Platz.