Justizminister Rainer Stickelberger erläutert die Notwendigkeit eines neuen Gefängnisses. Foto: Graner

JVA als Ausgleich für die 2013 weggezogene Bundeswehr. Über Meßstetter Schultes und dessen Konversionsproblem(e).

Meßstetten/Rottweil - In Meßstetten, einer Gemeinde hoch oben auf der Alb, hätten viele gerne das neue Großgefängnis. Als Ausgleich für die Bundeswehr, die 2013 wegzog. Jetzt steht die Kaserne leer. Doch ein neues Gefängnis allein wird die Probleme nicht lösen. Vielleicht sogar eher noch zementieren und neue Probleme schaffen. Eine Einschätzung.

Der Meßstetter Bürgermeister Lothar Mennig ist Pragmatiker durch und durch. Als vor Jahren die Bundeswehr die Zollernalb-Kaserne, eine Einrichtung des Einsatzführungsdienstes der Luftwaffe, aufgab und leere Gebäude zurückließ, dachten, glaubten und hofften die meisten in Meßstetten, dass sich dort bald eine neue Industrie ansiedeln würde. Doch daraus wurde nichts. Die Konversionsfläche blieb, bis auf die Sportanlagen, ungenutzt. Seit einigen Monaten dienen die leeren Bundeswehrgebäude dem Land als Erstaufnahmestelle für rund 1000 Flüchtlinge. Was für ein Unterschied.

Weil aus den hoch trabenden Gewerbe-Plänen nichts wurde, setzen die Meßstetter, allen voran der Schultes und der Gemeinderat, voll auf die JVA-Karte. Vor drei Jahren haben sie bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. Mennig brachte das Dilemma auf den Punkt: "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach."

Das vermeintlich stärkste Argument der Meßstetter und ihrer Befürworter ist es, über eine Konversionsfläche zu verfügen. Über 50 Hektar groß ist sie. Ein Eingriff in die Natur wäre nicht mehr notwendig, die Fläche bereits versiegelt. Wie praktisch. Im Vergleich zu Rottweil, wo das neue Gefängnis mitten in die Landschaft gesetzt werden soll, ein klarer Vorteil.

Bei näherer Betrachtung indes treten die Probleme zu Tage:

 Problem 1 befindet sich unter der Erdoberfläche: Unter den alten Militärgebäuden befinden sich Bunker. Laut Edwin Dalibor, Vize-Chef des Konstanzer Amts für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, ist es aufwändig und sehr teuer, diese Bunker auszugraben und die Fläche für eine neue Bebauung, etwa für ein neues Großgefängnis, vorzubereiten. Das ist ein Grund, weshalb das Amt die Bunker links liegen lässt und die JVA an den Rand der Konversionsfläche – und offensichtlich darüber hinaus – drängt, wie zumindest die Gegner behaupten.

Damit zu Problem 2: Lassen wir die Gegner, die "Bürgerinitiative für ein lebenswertes Meßstetten ohne JVA", selbst zu Wort kommen. Sie sagen: "Die Pläne bestätigen unsere Befürchtung, dass das Gefängnis den größten Teil der Kaserne gar nicht betrifft. Dass Sportanlagen und Hallen vernichtet und so Freizeitmöglichkeiten und Trainingsstätten für Vereine und Schulen dahin wären. Und dass auch landwirtschaftliche Fläche und Naherholungsgebiet zerstört werden."

Problem 3: die Sportstätten. Sie werden offensichtlich von Vereinen und Schulen genutzt. Einer neuen JVA stünden sie im Weg. Zwar verfügt ein Gefängnis in der geplanten Größenordnung ebenfalls über Sportanlagen. Ob sie aber der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellet werden können, diese Frage ist noch offen. Das hängt auch davon ab, zu welchen Tageszeiten sich die Häftlinge sportlich betätigen. Auf die Frage eines Meßstetter Bürgers, ob die Gemeinde für den notwendigen Ersatz sorgen werde, verwies der Bürgermeister auf den Gemeinderat. Es komme darauf an, dass dieser die entsprechenden Beschlüsse fasse. Dass er das tatsächlich tun wird, darf ernsthaft bezweifelt werden, schließlich müsste dafür eine erkleckliche Summe aufgebracht werden.

Problem 4: der große Rest. Was passiert mit der restlichen, circa 40 Hektar großen Konversionsfläche, wenn die JVA einmal dort steht, wo sie nun geplant wird? Ob je ein Unternehmen bereit sein wird, so viel Geld in die Hand zu nehmen, um die bestehenden Gebäude mitsamt Bunkeranlagen abzureißen und etwas Neues darauf bauen lassen zu können? Also etwas tut, wozu das Land – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht bereit ist, zu tun?

Das starke Konversionsargument, es scheint zu bröckeln und sich möglicherweise ins Gegenteil zu kehren. Gut möglich, dass sich der Spatz in der Hand als hässliche Kröte entpuppt, die angesichts der aufgezeigten Umstände kaum jemand bereit sein dürfte, zu schlucken. Am allerwenigsten Bürgermeister Mennig.

Insofern ist es verwunderlich, dass sich das Gerücht hartnäckig hält, das Land, allen voran Ministerpräsident Winfried Kretschmann, stehe bei Meßstettens Bürgermeister Mennig im Wort. Die Gemeinde am Albtrauf erhalte, so heißt es, das neue Großgefängnis mit rund 250 Arbeitsplätzen als Gegenleistung für die Unterstützung in der Flüchtlingsfrage. Trotz aller Dementis – sowohl Justizminister Rainer Stickelberger, als auch das Staatsministerium betonten auf Nachfrage unserer Zeitung, es gebe keine Vorfestlegungen – konnten nicht alle Beteiligten überzeugt werden. Vor allem aus Justizkreisen wird immer wieder gesagt, das Rennen zwischen Meßstetten und Rottweil sei bereits entschieden: für Meßstetten. Kann das sein?