Die JVA Mannheim aus der Vogelperspektive. Gut erkennbar ist die sternenförmige Anordnung der Gefängnistrakte. Unmittelbar daneben befindet sich Wohnbebauung. Foto: Schwarzwälder-Bote

In Mannheim steht das landesweit größte Gefängnis mit 700 Haftplätzen / Volksmund nennt es Café Landes / Betriebe rentabel

Von Armin Schulz

Rottweil/Mannheim. Wer in Mannheim ins "Café Landes" geht, bleibt nicht nur auf eine Tasse Kaffee. Der Aufenthalt dauert in der Regel länger. Und wer einmal von dort zurückgekehrt ist, will so schnell nicht wieder hin. Café Landes – so bezeichnen die Mannheimer ihr Gefängnis. Es ist mit mehr als 700 Haftplätzen das größte der 17 Gefängnisse in Baden-Württemberg. Und es ist ziemlich alt.

Ziemlich alt ist auch in Rottweil das Gefängnis mit den Außenstellen Hechingen, Oberndorf und Villingen-Schwenningen. Dazu viel zu klein und arg marode. Moderner Haftvollzug, wie er gesetzlich vorgeschrieben ist, ist nicht möglich. Die alte Hütte sollte längst geschlossen werden. Ziemlich alt ist in Rottweil daher ebenso die Diskussion um den Neubau einer größeren Haftanstalt für 500 Gefangene. Mögliche Standorte, zunächst in Rottweil, später in der weiteren Umgebung wie in Tuningen, werden gehandelt wie Papiere auf dem Börsenparkett: geordert, verkauft, hektisch abgestoßen.

Vielleicht geht das bald zu Ende, die ganze Diskutiererei im Rottweiler Gemeinderat, das Lavieren der Stadträte, die Proteste in der Bevölkerung. Die Landesregierung will bis Mitte Juli entscheiden, wo ein neues Gefängnis gebaut werden soll. Zwei mögliche Bauplätze befinden sich noch im Rennen: das Gebiet Esch in Rottweil und eine ehemalige Kaserne bei Meßstetten (Zollernalbkreis), die dem Land zurzeit als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge dient.

Doch bis Mitte Juli wird in der ältesten Stadt im Land die Auseinandersetzung um den Standort Esch noch einmal hochkochen. Die Stadtverwaltung will unbedingt das Gefängnis und hat ihre Gründe. Im Gemeinderat sind sie sich nicht so einig. Eine kleine Gruppe aus Grünen und dem Forum für Rottweil sind dagegen, im Esch ein Gefängnis hochzuziehen, die große Mehrheit ist dafür. Vor Tagen geht die Abstimmung im Rat eindeutig – mit 22 zu 5 – für das neue Gefängnis aus.

Doch von Aufbruchstimmung kann keine Rede sein. Ein weiteres Votum sorgt für Kopfschütteln in der Landesregierung: Die Stadträte lehnen einen Bürgerentscheid ab. Die Bürger sollen nicht mitbestimmen dürfen, lautet die Botschaft. So wollte man das nun wiederum nicht gesagt haben. In Stuttgart aber halten sie das für einen "Schlingerkurs".

Mitreden tun sie, die Bürger, indes ungefragt. Wie jene aus Rottweil und aus den Nachbardörfern. Sie schließen sich in einer Initiative zusammen, die die geplante JVA im Esch ablehnt. Anders hingegen die Justiz vor Ort. Landgerichts-Präsident Dietmar Foth wirbt für Rottweil.

Die Liste aus Pro und Kontra ist lang. Während die Befürworter Rottweil als Justizstandort sichern wollen, finanzielle Aspekte ins Feld führen und auch die wirtschaftlichen Gesichtspunkte betonen, befürchten die Gegner die Zerstörung einer unberührten Natur – in Meßstetten stünde hingegen eine Konversionsfläche zur Verfügung.

Breit wie ein Schrank, doch vor der Gruppe zu sprechen, fällt schwer

Daneben spielen weitere Gründe eine Rolle: die Angst vor dem Unbekannten, die Sorge, die Kriminalitätsrate könnte steigen. Der Grünen-Ortsverband Rottweil-Zimmern führt in einer Gegenüberstellung an: "Zu einer Schulstadt wie Rottweil passt kein Großgefängnis." In Klammern wird hinzugefügt: "Drogengefahr". Wirklich?

Das Mannheimer Gefängnis befindet sich im Stadtteil Neckarstadt. Es wurde von 1905 bis 1909 im pennsylvanischen System erbaut. Das Hauptgebäude besteht aus vier Nebenflügeln und einem Verwaltungsbau. Sternförmig laufen sie aufeinander zu und münden in eine Zentralhalle. Neben dem Gefängnis befinden sich Wohngebäude.

Der Mannheimer Anstaltsleiter Thomas Weber sagt, das Gefängnis gehöre zur Stadt wie der Wasserturm. Ängste, Sorgen, Proteste? So etwas kenne er nicht. Erhöhte Kriminalität? Gebe es nicht. Der letzte Ausbruch? Müsste über Jahre zurückliegen. "Das war vor seiner Zeit", so Weber. Im Sommer 2004 war das. Damals gelang einem Serienausbrecher die Flucht.

Das Mannheimer Gefängnis hat das zu bieten, was den vielen kleineren Gefängnissen wie in Rottweil fehlt: eine ordentliche Unterbringung der Gefangenen, eine gescheite Betreuung, Perspektiven für das Dasein hinter Gittern.

Wesentliches Element zur Erfüllung des Vollzugsziels und zur Resozialisierung sei die Beschäftigung von Gefangenen, formuliert die Landesregierung. In Mannheim wird das ernst genommen. Dort herrsche Vollbeschäftigung, sagt der Anstaltsleiter. Der Rottweiler Leiter Matthias Nagel berichtet von einer internen Arbeitslosigkeit von 40 Prozent. Die Möglichkeiten in Rottweil sind begrenzt. Das ist ein Problem.

Seit 2001 sind die Arbeitsbetriebe der Justizvollzugsanstalten im Land in einem Landesbetrieb Vollzugliches Arbeitswesen (VAW) zusammengeführt. In Mannheim gibt es: Küche, Metzgerei, Bäckerei, Schreinerei, Schlosserei, Lackiererei/Malerei. Die Betriebe bilden aus, sie sind zertifiziert, ihre Auftragsbücher voll. Er könnte mehr Mitarbeiter eigentlich gut gebrauchen, merkt der Anstaltsleiter an. Einen leicht schwarzen Humor haben sie in Mannheim also auch.

Es stimmt aber: Die Gefängnisbetriebe sind gewinnbringend – von ihnen profitieren die Häftlinge, der Landesbetrieb und auch die ortsansässige Wirtschaft. Einfache Lohnarbeiten (sortieren, löten, montieren, abpacken) könnten in den Gefängnisbetrieben getätigt werden. Für die freie Wirtschaft dienten sie als verlängerte Werkbank. "Für manche Unternehmen ist das standorterleichternd", sagt Patrick Herrling. Er ist Hauptgeschäftsführer des Landesbetriebs VAW. Der stellvertretende Leiter des Mannheimer Gefängnisses Hans-Jürgen Fritzsche erläutert: "Es mag komisch klingen, aber wir sind sehr zuverlässig, das schätzen unsere Partner."

Paradox auch, was Ute Heger, Lehrerin in der Mannheimer Anstalt, zu erzählen hat. Von wegen schwere Jungs. Scheinbar gestandene Männer entpuppten sich als schüchtern. "1,95 Meter groß, breit wie ein Schrank, und traut sich nicht, vor der Gruppe ein Referat zu halten", berichtet sie. Oder von Absolventen, die stolz seien, dass sie hinter Gittern ihren Hauptschulabschluss geschafft haben. Oftmals das erste Erfolgserlebnis in ihrem bisherigen Leben. Bildung sei die beste Prophylaxe, nicht mehr straffällig zu werden, so Heger. Zehn Gefangene pro Jahr machten diesen Bildungsabschluss in Mannheim. Ein guter Schnitt.

Die Gefängnisse in Baden-Württemberg haben ein breit gefächertes schulisches und berufliches Bildungsangebot: Es gibt Sprachkurse, Förder- und Hauptschulkurse, Berufsschulunterricht und Realschulkurse, selbst höhere Bildungsabschlüsse wie Abitur und Fernstudium sind möglich. Doch notwendig sind vor allem grundlegende Kenntnisse. Denn der Bildungs- und Ausbildungsstand der Gefangenen wird zunehmend geringer, teilt das Justizministerium mit. Gefragt seien daher zunehmend Deutschkurse sowie Elementar- und Förderunterricht.

All das soll auch das neue Großgefängnis in Rottweil/Meßstetten anbieten können. Wobei eines sicher ist: Es wäre mit dem Café Landes in Mannheim nicht vergleichbar: Lage, Baustil, Strukturen, Akzeptanz – all das wäre anders. Vielleicht erhält die neue JVA dennoch einen Spitznamen. Einen, der zeigt, dass das Gefängnis bei den Bürgern angekommen ist und akzeptiert wird – nicht heute, nicht morgen, aber in ein paar Jahren möglicherweise.