Vier Standorte unterstützt die Stadtverwaltung Rottweil als Standort für ein neues Großgefängnis

Von Armin Schulzund Patrick Nädele

Rottweil. Die Ähren wiegen sacht, auf einem rosafarbenen Holzpflock sonnt sich ein Salamander, die Wiesen stehen voll im Saft, Kühe grasen. Esch, Bitzwäldle, Stallberg und Hochwald. Es gibt vier mögliche Standorte für ein Großgefängnis am Rande der Stadt: Vier Mal Grün, vier Mal Idylle, wohin man blickt.

Doch die Ruhe ist trügerisch. Um die Rottweiler Standorte für ein neues Großgefängnis ist Streit entbrannt. Dabei ist nicht einmal klar, ob die älteste Stadt im Land überhaupt Gefängnisstandort bleibt. Seitdem das Land eine große und moderne Justizvollzugsanstalt bauen, dafür im Gegenzug mehrere kleine und marode Gefängnisse schließen will, geht es hin und her. Klar ist nur, dass nichts klar ist. Weigheim, ein Stadtteil von Villingen-Schwenningen, gilt zurzeit als Favorit für den Bau der neuen JVA.

Davor war Tuningen am Zug. Doch die Bürger dort lehnten per Entscheid mehrheitlich ab. Sie wollen nicht. Rottweil will, schon immer. Die Stadt hatte erst Pech mit dem über Jahrzehnte vorgehaltenen Platz auf dem Stallberg: Der Gips im Untergrund ist für die Landesregierung ein Ausschlusskriterium. Das hat das Wirtschaftsministerium im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten noch einmal bestätigt (wir berichteten). Dann gab es Ärger mit dem Ersatzgrundstück im Bitzwäldle. Eine Bürgerinitiative brachte das Vorhaben zum Kippen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann löste mit dem Start eines neuen Suchlaufs ein Wahlversprechen ein und gilt seitdem als Retter des Bitzwäldles. Die Sympathien fliegen ihm zu. Die Grünen holen seitdem in Neukirch und Zepfenhan bei jeder Wahl Traumergebnisse.

Jetzt droht der Stadt der völlige Verlust. Und doch sieht der Gemeinderat in Rottweil nach dem Nein in Tuningen auch wieder eine Chance.

In dieser undurchsichtigen Gemengelage jedenfalls sendete das Gremium ein Signal nach Stuttgart: "Her mit dem Gefängnis". Das Signal kam dort an, sorgt aber auch in der eigenen Stadt für Aufruhr. Oberbürgermeister Ralf Broß bekam das noch in der Sitzung zu spüren, als das Manifest beschlossen wurde.

Die neue Stadträtin Ingeborg Gekle-Maier aus Neukirch, die für die Grünen am Tisch im Ratssaal sitzt und vor Jahren den Widerstand gegen die JVA im Bitzwäldle anführte, machte Broß erneut Vorhaltungen. Er entscheide über den Kopf der Bürger hinweg, diese erführen mal wieder aus der Presse, was die Verwaltungsspitze vorhabe. So gehe man mit seinen Bürgern nicht um, das sei kein guter Stil, sagte sie.

Das ist auch die Stimmung auf dem Hochwald. Es ist Kirbezeit. Wenige Tage zuvor veröffentlichten wir im Schwarzwälder Boten, dass die Stadt hinter dem Hochwald als JVA-Standort steht. Angeboten hat das Grundstück der Landwirt Josef Schneider. Er wohnt auf dem Hochwald und bringt damit so gut wie alle anderen über 50 Hochwaldbewohner gegen sich auf. Auf der Kirbe heißt es knapp und bündig: "Wir wollen kein Gefängnis." Sie treffen sich im "Vesperstüble", um die nächsten Schritte zu besprechen. Möglicherweise will man auch dazustoßen, wenn Volker Kauder, der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen und Fraktionschef in Berlin, am 22. August nach Talhausen kommt, um mit Vertretern der Bahn über die Sicherheit an Bahnübergängen zu sprechen.

Peter Schuster wohnt auf dem Hochwald und ist Mitglied der Gruppe, die sich mit dem Gedanken einer JVA vor der eigenen Tür befasst. Unterschriften werden gesammelt. Schuster war auch in der Gemeinderatssitzung und hat seine Bedenken vorgetragen.

Wir kommen auf einem Feldweg zufällig ins Gespräch. Man suche den offenen und fairen Dialog mit der Stadt, mit Josef Schneider, mit den Nachbarn, sagt er.

Gestern Abend hat sich die Gruppe erneut getroffen. Sie formuliert eine Pressemitteilung. Die Argumente, die gegen den Hochwald sprechen: die exponierte Lage für ein Großgefängnis, es sei keine ausreichende Infrastruktur vorhanden, und: Wie soll ein Wohnort mit 53 Menschen eine Kleinstadt, wie eine JVA mit ihren 500 Insassen sei, verkraften? Zu gern wüssten sie auch, nach welchen Entscheidungskriterien die Stadtspitze vorgeht.

Das fragen sie sich im Bitz–wäldle auch. Dort haben vor drei, vier Jahren die Bürgerinitiative und der Verein NaKu etliche Aktionen unternommen, um ihren Bitzwald, wie sie ihn nennen, zu retten. Holzscheiben an Bäumen sollen auf die Einzigartigkeit der Natur aufmerksam machen: "Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt" heißt es auf einem Stück Holz. Unterzeichnet ist es von einer Familie Barth. Auch wenn es gerade ruhig ist, hinter den Kulissen herrscht Betrieb. "Selbstverständlich arbeiten sowohl der NaKu als auch die Bürgerinitiative intensiv am Erhalt des Bitzwaldes und anderer schützenswerter Ökologie", äußert Gekle-Maier im Gespräch mit uns.

Nicht mehr öffentlich darüber reden will Graf Franz von Bissingen. Er hat das Esch nahe der Neckarburg dem Land angeboten. Jetzt sei es Sache des Landes und der Stadt, wie es weitergeht. Ja, wie geht es denn nun weiter? Abwarten, lautet eine Devise. Denn zunächst müssen Stuttgart und Weigheim ausloten, ob der Bau eines Großgefängnisses dort möglich ist. Kein Geheimnis ist, dass der Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen Rupert Kubon genau so heiß auf die JVA ist wie sein Rottweiler Amtskollege. Und dann ist da immer noch Meßstetten im Zollernalbkreis, das mit dem ehemaligen Kasernengelände eine Konversionsfläche als Ass im Ärmel hat.

Im Hochwald wird nicht abgewartet. Und es geht nicht nur idyllisch zu. Ein Stier steht auf der Wiese, auf der das Gefängnis gebaut werden soll, und brüllt von Weitem vermeintliche Widersacher an. Wehe dem, der zu nahe kommt. Der Hochwald-Stier – es gibt schlechtere Symbole für den Widerstand, der sich dort gerade formiert.