Ein 52-Jähriger steht vor Gericht: Er soll seinen Vater geschlagen und dessen Haus in Brand gesetzt haben. Foto: Schickle

52-Jähriger soll Vater geschlagen haben. 23 Einträge im Strafregister mit versuchtem Totschlag.

Rottweil/Horb - "Du bist das größte Schwein", soll der Angeklagte laut Polizeiprotokoll gerufen haben, als er seinen Vater packte und ihn mit Faustschlägen attackierte. Dann habe er versucht dessen Haus in Brand zu setzen. Alles wegen einer Stromrechnung? Die Große Strafkammer am Landgericht Rottweil versucht die Ursachen zu ergründen.

Sieben Stunden dauerte gestern der erste von insgesamt fünf anberaumten Verhandlungstagen. Die Kammer, Staatsanwaltschaft und drei Sachverständige versuchen das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu ergründen und mit Hilfe von zwölf Zeugen zu begreifen, was dem Angeklagten von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird: Der 52-Jährige aus Horb soll seinen 79 Jahre alten Vater in der fraglichen Nacht körperlich schwer misshandelt und versucht haben, dessen Haus in Brand zu setzen.

Es war der 1. Februar 2014. Der 52-Jährige wohnte zu diesem Zeitpunkt in einer separaten Wohnung im unteren, hinteren Teil des Hauses seines Vaters. Das Verhältnis zwischen den beiden ist schwierig. Das wird auch schnell klar, als der Vater am Montagvormittag als erster Zeuge den Schwurgerichtssaal betritt.

Die Blicke treffen sich nicht, doch der Angeklagte fixiert seinen Vater, hört ihm aufmerksam zu. Die zusammengekniffenen Augen signalisieren Kälte und Distanz. Starr sitzt der 52-Jährige in seinem schwarzen Anzug auf dem Stuhl. Zur Anklage schweigt er. Anders sein Vater, der zum Geschehen in jener Nacht viel zu sagen hat und sich auch mit harten Worten seinem Sohn gegenüber nicht zurückhält. "Der ist nicht mehr ganz dicht", sagt der 79-Jährige beinahe emotionslos.

Am 31. Januar 2014 sei er von einem Urlaub zurückgekehrt. Vor seiner Abreise habe er im Haus den Strom teilweise abgestellt und ein Sicherheitsschloss an den Stromkasten im unteren Teil des Hauses angebracht. Der Sohn sollte den eingebauten Ölofen nutzen, damit die Stromrechnung nicht mehr so hoch ausfalle wie die letzte mit 1200 Euro.

Der ältere Mann erklärt weiter: Am Abend des 1. Februar habe er die Sicherungen kontrollieren wollen und sei in die untere Etage hinabgestiegen. "Da habe ich schon gesehen, dass das Schloss aufgebrochen war", erinnert sich der Vater. Aufgeregt habe er sich sehr, aber nichts gesagt.

"Er war selbst erschöpft und hat total geschnauft"

"Ich habe keinen Ton von mir gegeben", entgegnet er vehement zu gegenteiligen Vermutungen des Richters. Aufgrund des zerrütteten Verhältnisses habe er seinen Sohn auch nie auf die hohe Stromrechnung angesprochen, das Ärgernis lediglich an seine Ex-Frau, die Mutter des Angeklagten, weitergegeben.

"Wir haben eigentlich nie miteinander geredet", erklärt der Rentner. Wie Fremde hätten sie nebeneinander gewohnt. "Ich habe Wichtigeres zu tun, als mit dem in der Gegend rumzuschwirren", so die harschen Worte des Vaters.

Als er am 1. Februar gegen 18 Uhr dann vor dem Stromkasten gestanden sei, um die Sicherung wieder einzuschalten, sei plötzlich die Wohnungstür des Sohnes aufgegangen. "Du bist das größte Schwein", ist im Protokoll der Polizei der damalige Ausruf des Angeklagten zitiert. An die Beschimpfung könne er sich nicht mehr genau erinnern.

Die große Wut seines Sohnes sei ihm aber bis heute stark präsent. "Er hat mich von hinten gepackt und mir die Fäuste ins Gesicht geschlagen", sagt der ältere Mann. "Er hat mir die Nase und die Rippe gebrochen. Und überall war Blut." Lautstark und wild gestikulierend beschreibt der Senior die Situation in der kalten Februarnacht.

Dann sei er zu Boden gefallen, doch sein Sohn habe nicht aufgehört auf ihn einzuschlagen und ihn zu treten. "Und dann hat er mich so gefesselt", schildert der Vater weiter und hält seine Arme über Kreuz in die Luft. Erst mit Krepppapier, dann mit Klebeband. Doch das Opfer konnte sich befreien. Während der Angeklagte damals "nach etwas suchte" – die Rede war immer wieder von einem Wasserschlauch –, kroch der alte Mann auf allen Vieren die Treppe hinauf in seine eigene Wohnung. "Er war selbst erschöpft und hat total geschnauft", sagt er über seinen Sohn. Deswegen habe er in seiner Raserei nachgelassen, "sonst wäre ich heute nicht mehr hier."

Bis ins Bett habe er es geschafft, überall habe es Blutspuren gegeben. Diese habe sein Sohn beseitigt, glaubt der ältere Mann, was auch von der Kriminalpolizei bestätigt wird.

Morgens um 5.18 Uhr geht dann beim Rettungsleitdienst der Notruf ein. "Vorher habe ich es nicht geschafft", sagt der 79-Jährige. "Alles war geschwollen, ich war wie besoffen."

Endlich rücken Notarzt und Polizei aus Horb an. Sie klingeln, sie klopfen. "Keiner hat aufgemacht", sagen die als Zeugen geladenen Polizisten. Sie gehen um das Haus herum, plötzlich blickt jemand aus dem Fenster.

Doch keiner der Beamten habe damals erkannt, wer die Person war, heißt es gestern im Zeugenstand. Der Rettungsdienst fand den alten Mann auf seinem Bett. Kurze Zeit später befand er sich im Freudenstädter Krankenhaus.

Während der Rettungsaktion habe es auf einmal ein lautes Geräusch gegeben, erinnert sich eine 38-Jährige Polizistin, die sich mit am Tatort befand. "Wie eine Kreissäge". Und dann ginge alles sehr schnell. "Ich habe auf einmal einen lauten Schmerzensschrei gehört", beschreibt sie die Situation. Rauchwolken quollen aus dem unteren Bereich des Hauses, und eine Person rannte über den Garten davon.

Laut Anklage soll der Angeklagte ein Feuer in einem seiner Räume gelegt haben und geflüchtet sein. Nach etwa 800 Metern sei er einem Rettungsdienst mit massiven Brandverletzungen "quasi in die Arme gerannt", wie ein Zeuge betont. Die Polizei hat bereits die Feuerwehr alarmiert. Der Brand ist schnell gelöscht. Um kurz vor sechs kehrt endlich Stille im Haus ein.

Der 79-Jährige fühlt sich bis heute körperlich beeinträchtigt. Seit dem Vorfall gebe es erst recht keinen Kontakt mehr zwischen ihm und seinem angeklagten Sohn. "Besser ist das", sagt er. "Wer weiß, was dem wieder einfällt." Als er aber wenig später den Saal verlässt, geht er auf seinen Sohn zu und reicht ihm die Hand. Nach einem Zögern erwidert dieser den Handschlag wortlos.

Der erste Verhandlungstag hat viele Fragen aufgeworfen – sowohl was die Brandursache betrifft, als auch zur Persönlichkeit des Angeklagten. 23 Einträge im Strafregister mit versuchtem Totschlag und jahrelanger Haft wiegen schon schwer. Doch was genau steckt hinter dem schlimmen Geschehen zwischen Vater und Sohn in der Nacht zum 2. Februar 2014?

Der nächste Verhandlungstag ist am Mittwoch, 26. August.