Ausstellung von Franz Bucher im Dominikanermuseum inspiriert zu einem Blick in die Spitalkapelle

Von Bodo Schnekenburger

Rottweil. Wenn man Arbeiten von Franz Bucher sehen will, hat man derzeit im Dominikanermuseum die seltene Gelegenheit, Stücke aus jeder Schaffensphase, darunter auch Hauptwerke des Dietinger Holzbildhauers, vereint zu finden. Dort bekommt man auch eine Idee vom grafischen und malerischen Werk des 1995 verstorbenen Künstlers. Es ist eine Schau, die es so wohl für lange Zeit nicht mehr geben wird. Ausgespart bleibt allerdings ein zentraler Aspekt im Werk Buchers: Die öffentlichen Aufträge, vor allem Gestaltungen in sakralem Kontext, können in einem Raum dieser Größe, der schon mit der Zentrierung auf die Entwicklung der Holzskulptur an seine Grenzen stoßen muss, sinnvollerweise keine Berücksichtigung finden.

Wer auf Entdeckungsfahrt gehen will, wird etwa in Baiersbronn (Maria Königin der Apostel), Sindelfingen (Martinskirche) oder Tuttlingen (Maria Königin) fündig. Es sind jeweils Kirchen, ob evangelisch oder katholisch, in denen Buchers Arbeit an ganz bedeutenden Punkten der Geschichte der jeweiligen Kirche einsetzt. Es gibt auch Gestaltungen, an die man nicht ohne Weiteres herankommt. In Rottweil sind dies zum Beispiel das Berufsschulzentrum, wo Bucher für den Innenbereich ein mehrteiliges Holzrelief gearbeitet hat, oder eben die Spitalkapelle. Die ist schon etwas Besonderes.

Von den Dimensionen her kann man sie schwerlich als spektakulär bezeichnen. Sie ist nicht klein. Sie ist nicht groß. Sie ist so ein Mittelmaß. Blickt man auf die Ausstattung, verbietet sich dieser Begriff freilich. Unter diesem Aspekt wird sie zum Gesamtkunstwerk. Mit Franz Bucher haben dafür Romuald Hengstler und Felix Schlenker gesorgt. Schon ein besonderes Trio. Schlenker und Bucher gehören um 1960 zum künstlerischen Kern der "kleinen galerie" in Schwenningen, zu dem Hengstler bald hinzu stoßen sollte. Sie sind es auch, die maßgeblich dazu beitragen, dass bedeutende Gegenwartskunst in der Region erlebbar wird. Mit Erich Hauser bilden sie das denkbar heterogene Künstlerquartett, das 1970 in Rottweil Forum Kunst auf den Weg schicken sollte.

Doch zurück zur Spitalkapelle, in der sie ein bemerkenswertes künstlerisches Programm präsentieren, das im Eingangsbereich durch Siegfried Haas’Arbeit ergänzt wird. Der Innenraum ist zweigeteilt. Im hinteren Bereich liegt das gotische Netzgewölbe quasi "in Reichweite". Licht fällt durch ein Maßwerkfenster, das Hengstler mit kunstvoller Grafik durch die Bleiruten und zurückhaltender Farbigkeit füllt. Es entsteht ein gelungenes Nebeneinander von Ästhetiken, zwischen denen Jahrhunderte liegen, die gleichwohl gültig sind und bleiben. Die Erweiterung der Kapelle nach Osten zeigt das Zusammenspiel der drei Künstler. Der Raum ist ein Kubus. Wieder fallen die ebenso strengen wie virtuos dynamisch gestalteten Fenster von Hengstler auf. Sie führen die Lichtregie, erläutern die Szene. Der Tabernakel ist von Schlenker, wobei sich ein typisches Nagelbild als Front zwanglos in die ungewohnte Aufgabe fügt. Darüber führt ein Flachrelief von Franz Bucher die Kanten des Tabernakels flächig nach oben fort.

Auch das Kruzifix ist von Bucher. Er hat es in eine runde Form gebracht. Die Kreuzesbalken sind eingetieft, der Gekreuzigte ist auf die Ebene der Eckfelder figürlich herausgearbeitet. Seine Haltung ist nicht die eines Leidenden, sondern aufrecht. Der mit dem angedeuteten Lendentuch bekleidete, geschundene Christus bietet sich dem Betrachter als tröstlicher Hort an.

Wenig Beachtung findet die Decke. Zu Unrecht. Hengstler hat sie aus Holzelementen identischer Grundfläche gestaltet. Sie erinnert an seine Zeichnungen. Die variierte Länge der Elemente und die Fragmentierung sorgen für eine belebte Fläche, die sich in den Raum bewegt. Und sie ist noch etwas, ein Zitat: Man kann in ihr einen subtilen Verweis auf die Reliefs von Franz Bucher sehen – in der Sprache Romuald Hengstlers.

Franz Bucher (Kruzifix und Relief beim Tabernakel), Romuald Hengstler (Fenster und Decke) und Felix Schlenker (Tabernakel) haben in der Spitalkapelle beziehungsreiche Arbeiten hinterlassen. Fotos: Schnekenburger