Die römische Toilette als 3D-Wand im Illusions-Center "Puzzling world" in Wanaka, Neuseeland Foto: pixabay Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubiläum: Bereits in Arae Flaviae wurde das Abwasser in Kanälen zum Neckar geleitet

Eine funktionierende Abwasser-Entsorgung ist gelebte Daseinsvorsorge: In der ältesten Stadt Baden-Württembergs verrichtet die Kläranlage Tag für Tag diese wichtige Aufgabe – seit 100 Jahren.

Rottweil. Abseits des öffentlichen Bewusstseins gibt es die vom ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung betriebene Kläranlage In der Au. 1917 wurde in Rottweil die erste Kläranlage errichtet. Zum Jubiläum soll die Geschichte der Abwasserentsorgung in Rottweil in einer kleinen Serie vorgestellt werden. Auftakt ist die Antike.

Für den hohen hygienischen Standard im klassischen Altertum lassen sich zahlreiche Belege finden. Bereits 3000 vor Christus kannten die Sumerer Toiletten und Bäder. Ebenso gab es Abwasserkanäle in den gepflasterten Straßen. 200 Jahre später hatten die Bewohner Mesopotamiens, dem heutigen Irak, Abwasserbehandlungsanlagen. 2000 vor Christus wurden auf Kreta im Palast von Knossos ein Latrinensystem und Abwasseranlagen entwickelt. 600 vor Christus galt Babylon als die prunkvollste Stadt der Welt. In dieser einstigen Metropole waren 1450 Kilometer Wasser- und Abwasserleitungen verlegt. Zum Vergleich: unter Rottweil befinden sich derzeit rund 200 Kilometer Abwasserleitungen. 500 vor Christus existierten in Athen bereits die ersten Fäkalien- und Sickergruben. 200 vor Christus kannte man in Pompeji schon wassergespülte Sitztoiletten und 150 vor Christus verfügten in Griechenland die meisten wohlhabenden Bürger bereits über eine Toilette.

Interessant für Rottweil sind die Bemühungen der Römer um eine funktionierende Abwasserentsorgung. Immerhin entstand in den Jahrzehnten ab 73 nach Christus auf dem Stadtgebiet von Rottweil die römische Siedlung Arae Flaviae. So bauten die Römer bereits 400 vor Christus in Rom die "Cloaca Maxima", die in Teilen noch heute in Funktion ist. Schon 32 vor Christus gelangte das Abwasser in Rom in riesige Rückhaltebecken, und Sklaven reinigten regelmäßig die Abwasserkanäle.

Sitzungen in der Latrine

Auch in Arae Flaviae wurde das Abwasser in sorgfältig gearbeiteten kleinen Kanälen aus Stein oder Ziegeln in Richtung Prim oder Neckar abgeleitet. Die Römer verehrten unter dem Namen "Venus Cloacina" sogar eine Schutzheilige für die Abwasserableitung. Öffentliche Toiletten, die Latrinen, dienten als Sitzungsort im doppelten Sinn. Latrinen wurden mit dem Abwasser von öffentlichen Bädern gespült. Unter den Sitzbänken floss nahezu durchgängig Wasser, das die Fäkalien abtransportierte. Vor den Füßen befand sich eine Rinne mit Frischwasser zum Reinigen. In den Latrinen verloren die Römer oft kleine Gegenstände, die heute bei Grabungen gefunden werden: beispielsweise Münzen, Fibeln, Haarnadeln oder auch Schmuck. Toilettenpapier gab es nicht, stattdessen wurde ein kleiner Schwamm benutzt.

Versäumten es die Römer, ihre Latrinen gründlich zu reinigen, entstand explosives Methan. Suchte dann jemand nachts mit einer Kerze die Latrine auf, konnte sich das Gas entzünden und explodieren.

Selbst das Sprichwort "Geld stinkt nicht" hat mit der römischen Abwasserentsorgung zu tun. Zur Zeit der Römer gab es den Beruf des Urinsammlers. In den Städten standen überall Amphoren als Pissoir, um den Urin zu sammeln. Die Urinsammler verkauften für viel Geld den Urin an die Wäschereien und Gerbereien, wo die ammoniakhaltige Flüssigkeit als fettlösendes Waschmittel benutzt wurde. Der Kaiser Vespasian – sozusagen Gründer der Stadt Rottweil – wollte den Staat mit einer Urinsteuer an den Einnahmen der Urinsammler beteiligen und deshalb eine Urinsteuer erheben. Sein Sohn Titus rügte ihn deshalb. Da hielt ihm Vespasian eine Münze vor die Nase und fragte, ob denn die Münze nach Urin riechen würde. Als Titus mit Nein antwortete, entgegnete Vespasian: "Und doch stammt das Geld von der Urinsteuer. Geld stinkt nicht – Pecunia non Olet".

Mit dem Untergang des römischen Reichs verschwanden die wertvollen Errungenschaften in Sachen Abwasserentsorgung. Mittelalterliche Städte in Europa verfügten weder über eine Kanalisation, noch über Abwasseranlagen. Pest-, Pocken-, Cholera und Typhus-Epidemien brachten für viele Menschen den frühen Tod.  Das Jubiläum der Rottweiler Kläranlage wird am Sonntag, 16. Juli, mit dem Tag der offenen Tür begangen. Führungen, ein Kunstwettbewerb zum Thema Wasser, ein Kinderprogramm oder auch eine Demonstration technischer Geräte wie ein Kanalfahrzeug erwartet die Besucher.

I n Rottweil sind an das Klärwerk In der Au neben der Stadt Rottweil und den Stadtteilen Göllsdorf, Hausen, Bühlingen und Feckenhausen auch die Gemeinden Zimmern, Deißlingen und Lauffen angeschlossen. Das Kanalnetz umfasst rund 192 Kilometer, das Einzugsgebiet rund 111 Quadratkilometer. Betrieben wird die Kläranlage seit 1998 vom ENRW-Eigenbetrieb Stadtentwässerung, einem kommunalen Tochterunternehmen der Stadt Rottweil. Er betreibt für die Reinigung der anfallenden Abwässer eine mechanisch-biologische Kläranlage. Die Kläranlage hat eine Vorklärung und eine intermittierenden Denitrifikation. An die Kläranlage sind rund 34 000 Einwohner angeschlossen. Zusätzlich werden Belastungen aus Industrie und Gewerbe entsprechend den Werten von rund 11 000 Einwohnern gereinigt.

Heute ist der internationale Tag des Wassers. Er steht unter dem Motto "Wastewater – Abwasser". Der Weltwassertag soll zur Umsetzung von Projekten und Programmen beitragen, die sich der Verbesserung der Wasserversorgung widmen. Die Mitgliedsstaaten der UN sind aufgefordert, am Weltwassertag durch konkrete Aktionen auf die Bedeutung des Wassers als Lebensmittel Nr. 1 aufmerksam zu machen und damit in der Öffentlichkeit Bewusstsein für das Thema zu erzeugen.