Nur in engem Kontakt mit Kräften der Justiz darf sich der 62-jährige Angeklagte bewegen. Foto: Seeger

Im Verfahren zur Tötungstat auf Heiligenhof dreht sich vor Gericht vieles um kriminelle Vergangenheit des Täters.

Rottweil/Deißlingen - Stundenlang wurden am Dienstag im Prozess zum Vorwurf "Mord auf dem Heiligenhof" Aktenprotokolle verlesen zu einem einzigen Thema: Den zahlreichen Diebstahl- und Einbruchdelikten des mittlerweile 62 Jahre alt gewordenen Angeklagten und den daraus resultierenden fünf Gefängnisaufenthalten.-

So etwa um die Jahrtausendwende ist bei dem Mann der Traum von einem guten Leben als Gastronom am Plattensee in Ungarn geplatzt. Bis zur Mittel- und Obachlosigkeit geht es schnell. Nach ersten Delikten im Jahr 1999 gibt es 2001 erstmals eine saftige Gefängnisstrafe. Die Latte an Vergehen ist lang. Der Mann scheint nach seinem finanziellen und wirtschaftlichen Absturz versucht zu haben, von der Hand in den Mund zu leben. Geklaut wurde eigentlich alles, was nicht niet- und nagelfest war. Neben Gegenständen zum Verscherbeln wurde auch Essbares gerne genommen. Der 62-Jährige hatte offenbar nicht die Kraft und den Willen, sich aus dem Teufelskreis zu befreien. Die Abwärtsspirale lässt ihn ins Bodenlose fallen. Das will er aber so nicht wahrhaben. Er ist ja schließlich kein Dummkopf. So einer wie er kann sich immer über Wasser halten, könnte er gedacht haben.

Als Kind von Stiefvater missbraucht?

In ein solches Bild einer wohlgefälligen Selbsteinschätzung – ein psychologischer Gutachter bescheinigt ihm, ein intelligenter Mensch zu sein – passt auch, wenn er gestern den Vorsitzenden Richter Karl-Heinz Münzer auf dessen Feststellung hin, ohne Führerschein könne man doch keine Autos von Deutschland nach Ungarn überführen, schnippisch erklärt, "ein Auto geht mit Benzin".

Wieso gerät man so ins Schlammassel, dass bei dem kriminellen Tun letztlich sogar ein Todesopfer zu beklagen ist? Ist eine mögliche Antwort auch mit Zwistigkeiten mit dem Stiefvater verbunden. Mit diesem sei er beim engen Zusammenleben oft über Kreuz gelegen, – gestern behauptete der Angeklagte sogar, er und seine Geschwister seien als Kinder von diesem missbraucht worden, keiner wolle aber darüber reden.

Als gestern während vieler Stunden verlesen wird, was der Angeklagte laut der ungarischen Justiz so alles auf dem Kerbholz hat, und durch welche Strafen die Taten gesühnt wurden, macht der 62-Jährige einen sehr zerknirschten Eindruck. Als er später vom Vorsitzenden der Großen Strafkammer nochmals die Gelegenheit erhält, seine Zeit nach dem plötzlichen Abschied aus dem Zuhause in Bühlingen im Jahr 1993 zu schildern, plaudert er redselig los, der Bezug zu den vielen eigenen Fehltritten findet dabei meist wenig Beachtung, bis Münzer ihn durch Ermahnungen wieder gedanklich in die Spur bringt.

Dass er nach seinem am 13. September 2015 beendeten letzten Gefängnisaufenthalt in Ungarn in Rottweil gestrandet ist, bringt der Angeklagte wiederholt in Verbindung mit der Hoffnung auf einen Job bei einer Mosterei in Zimmern o.R. Dort hatte man seit 2011 aber gar keinen Kontaktt mehr mit ihm. Suchte er in großer Not vielleicht viel mehr die Nähe und Hilfe von Angehörigen? Fand er dann aber nicht den Mut, diese zu kontaktieren? Entschloss er sich deshalb lieber dazu, sich wieder einmal auf kriminelle Weise durchzuschlagen? Kam es bei dem am 6. Oktober 2015 im schlimmen Desaster endenden Überfall auf dem Heiligenhof zu einem tödlichen Unfall infolge eines Gerangels? Oder war es eine vorsätzliche Tötungstat – ein Mord?

Es ist ein Prozess, in dem das Urteil vor allem anhand von Indizien und (gutachterlichen) Einschätzungen gesprochen werden muss.

Der fünfte Verhandlungstag, findet morgen, Donnerstag, mit weiteren Zeugenvernehmungen statt.