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Haushalt 2016 verabschiedet. Gemischte Gefühle bei den Räten. Viele verschiedene Projekte stehen an.

Rottweil - Passend zur Verabschiedung des Haushaltsplans am Abend begann ein Bagger gestern Platz zu machen für die neue Feuerwache in der Schramberger Straße. Eins der großen Projekte, die es zu stemmen gilt. Viele andere aber müssen warten.

Aufbruchstimmung in der Stadt einerseits, der bange Blick auf die kommenden Jahre andererseits – der Haushaltsplan 2016 weckt gemischte Gefühle. Tanja Heinze und Yvonne Hoffmann von der Kämmerei sorgten gestern Abend mit den aktualisierten Zahlen dafür, dass sich die Sorgenfalten der Stadträte wenigstens ein klein wenig glätten konnten: Nach Einarbeitung aller Änderungen hat sich die Kreditaufnahme im Finanzplan für 2018 und 2019 auf insgesamt 4,6 Millionen Euro verringert. Das ändert freilich nichts daran, dass das Investitionsprogramm – darauf legten alle Fraktionen in ihren Haushaltsreden wert – in einer Klausurtagung auf den Prüfstand gestellt werden muss.

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Günter Posselt standen die Haushaltsplanberatungen "im Zeichen des Aufbruchs". An allen Ecken der Stadt merke man, dass die Zeichen auf Zukunft gerichtet sind. Nicht zuletzt Planungen privater Investoren prägten die Tagesordnung. Das Gremium habe gezeigt, "dass es willens ist,diesen Weg in eine positive Zukunft aktiv mit zu gestalten". Nun sei wichtig, das Ziel der nachhaltigen Finanzpolitik nicht aus den Augen zu verlieren. "Unsere Kinder und Enkel sollen auch später noch Möglichkeiten zur Gestaltung unserer Stadt haben", so Posselt.

Dass die Bürger Verständnis für die Haushaltslage hätten, habe sich unter anderem in den maßvollen Vereinsanträgen gezeigt. Gerade das ehrenamtliche Engagement präge das Gesicht der Stadt, lobte Posselt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende sieht es als eine wichtige Aufgabe, neue Bürger hinzuzugewinnen. Der zweite Teil des Neubaugebiets Spitalhöhe müsse deshalb zeitnah baureif gemacht werden. Bei der Unterstützung der Wirtschaft müsse man – in Ermangelung weiterer großer Gewerbegebiete – "nach kreativen Lösungen Ausschau halten". Von den höheren Mitteln für die Wirtschaftsförderung erhofft sich die CDU "deutliche Impulse". Es müsse gelingen die positive Wirkung des Thyssen-Krupp-Testturms in die Stadt zu tragen.

Außerdem erfordere die positive Weiterentwicklung des Schulstandorts erhebliche Mittel. Was die Verbesserung der räumlichen Situation am DHG betrifft, sei er sicher, dass eine positive Lösung gefunden wird. Auch die Ortsteile seien im Zahlenwerk für 2016 berücksichtigt, betonte Posselt. Ein Beispiel sei der bald beginnende Bau der Göllsdorfer Halle.

Für Martin Hielscher, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler (FWV) bestehen die gleichen strukturellen Probleme im Haushalt wie schon 2015. Sollte sich nur eine leichte Abkühlung bei der Steuereinnahmen ergeben, sei die schwarze Null illusorisch.

Man müsse jetzt wichtige Weichenstellungen vornehmen, um eine Neuverschuldung möglichst zu verhindern. Erschwerend komme die seit 2015 enorm angestiegene Zahl an Migranten und Flüchtlingen hinzu, die die Stadt vor nicht abschätzbare Herausforderungen stellen werde. Im sozialen Wohnungsbau müsse man verstärkt auf private Bauinitiativen setzen, dies könne nicht allein Aufgabe der Stadtbau sein. Fraglich sei außerdem, ob der Hegneberg der richtige Standort für einen Neubau zur Flüchtlingsunterbringung sei. Die Freien Wähler schlagen vielmehr zwei Gebäude für das Neubaugebiet Spitalhöhe vor, ebenso sozialen Wohnungsbau auch in den Neubaugebieten Göllsdorf und Hausen.

Die neue Hängebrücke unterstütze man als außergewöhnliches Projekt, ein zusätzliches Parkierungsangebot sei aber zwingend erforderlich. Hielscher hatte unter anderem den Vorschlag parat, einen Parkplatz in der Au beim Ringzug zu schaffen – mit Anbindung per Aufzug an das Spital. Zudem müsse über die komplette Privatisierung des Parkkonzepts nachgedacht werden. Bei der Schulentwicklung gelte es, der Kostenexplosion entgegenzuwirken und den konkreten Raumbedarf zu ermitteln.

"Die Freien Wähler fordern die Stadtverwaltung auf, die Teilhaushalte nach Einsparpotenzial zu durchforsten", so Hielscher. Die scheinbar über Nacht erfolgte Verbesserung des Finanzhaushalts liege schlicht an der Praxis des Verschiebens von Investitionen.

"Rottweil steht mit seinem Haushalt ordentlich da", so das Fazit von SPD-Fraktionssprecher Arved Sassnick. Nun sei "optimistische Vorsicht" angesagt. Die Schuldenfalle gelte es zu vermeiden, deshalb müsse man bei den Investitionen bis 2019 – derzeit avisiert sind 47 Millionen Euro – auf die Bremse treten.

Zu einer Aufgabe, die für die SPD Priorität genießt, gehört die Sicherung des Schulstandorts Rottweil. Die Kindergartengebühren seien der SPD-Fraktion allerdings ein Dorn im Auge. Die gestiegenen Anforderungen müssten dazu führen, dass das Land die Personalkosten übernimmt.

Dass die Stadtbau wieder in den sozialen Wohnungsbau einsteigt, ist laut Sassnick im Sinne seiner Fraktion. Die vom Mieterverein laut gewordene Klage über zu wenig bezahlbaren Wohnraum nehme man ernst, nicht zuletzt weil das Problem durch den Flüchtlingszuzug verschärft werde. Zudem befürworte man die Pläne zur Verbesserung des Rottweiler Grüngürtels. Im Bereich der Wirtschaftsförderung gelte es, weitere Anstrengungen zu unternehmen und die Bürgerschaft an Entscheidungen teilhaben zu lassen.

Die Zuschusserhöhung von zehn Prozent für die Vereine ist nach Ansicht der SPD gut eingesetzt. Den ehrenamtlichen Helfern gebühre Dank. "Hier zu sparen, wäre das falsche Signal gewesen", so Sassnick. Die Dringlichkeit der großen Brocken müsse nun dringend überprüft werden.

Hubert Nowack (Grüne) bezeichnet das Zahlenwerk als "respektables Ergebnis". Große Aufgaben seien die Sanierung der Innenstadt und der Schulen sowie die Entwicklung des Tourismus. Die Ausgaben, die die JVA mit sich bringe, seien noch gar nicht zu beziffern. Die Stadt könne sich auch in Zukunft auf das Engagement der Bürger als "stille Reserve" verlassen.

Heide Friederichs vom Forum für Rottweil (FFR) hatte einige kritische Anmerkungen. Der Ergebnishaushalt zeige, "dass wir nichts erwirtschaften, um die anstehenden Investitionen bezahlen zu können". Das Ziel einer nachhaltigen Finanzplanung sei nicht erfüllt. Auch der Thyssen-Krupp-Turm koste die Stadt Geld, allein 100 000 Euro für das Marketingkonzept. Es herrsche eine erhebliche Schieflage im Haushalt wenn man sehe, was im Gegensatz dazu für die Weiterentwicklung der Stadt als Kunst- und Kulturstadt eingestellt sei. Zu bemängeln sei außerdem das "undemokratische Prozedere" der Verwaltung, wie jüngst beim Projekt Hängebrücke. "Die Bürger sollten vorher einbezogen werden, nicht, wenn das Projekt schon festgezurrt ist", so Friederichs.

Michael Gerlich (FDP) freut sich über die Aufbruchstimmung. "Das Ende der ausschließlichen Verwalter und Bewahrer ist eingeläutet. Eine Stadt ist nunmal kein Museum", meint er. Positiv sei, dass im Haushalt größere finanzielle Mittel für Stadtentwicklung und Stadtmarketing eingestellt sind. Die vielen Dinge, die momentan in der Stadt passieren, könne man sich ohne auswärtige Investoren gar nicht leisten, so Gerlich. "Wir sehen doch, wie wir an einer Feuerwache oder der Göllsdorfer Halle zu knabbern haben." Besonders freut er sich über den ersten Schritt in Richtung Grünprojekt.

Unter der Prämisse, dass die Investitionen im Finanzplan bis 2019 noch eingedampft werden müssen, wurde der Haushalt einstimmig verabschiedet. Im Ergebnishaushalt steht nun ein Minus von 97 000 Euro (im Entwurf war es eine "schwarze Null" mit 244 000 Euro), der Saldo des Finanzhaushalts liegt bei minus 10,34 Millionen Euro. Die liquiden Eigenmittel (Stand Ende 2015) betragen 24,94 Millionen Euro.

Bei all den Zahlen kam das Menschliche gestern am Ratstisch nicht zu kurz. Alle Fraktionen dankten ausdrücklich Tanja Heinze und Yvonne Hoffmann von der Kämmerei für ihre sehr gute Arbeit, die sie erstmals ohne den verstorbenen Finanzbürgermeister Werner Guhl zu bewältigen hatten.