20 Verhandlungstage sind im Strafprozess wegen Betrugs und Untreue gegen den früheren Geschäftsführer der alten Bösinger Fleischwaren GmbH und seine ehemalige Frau bereits absolviert. Am Montag soll es vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil für die wegen Beihilfe angeklagte Frau das Urteil geben. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Abtrennung des Verfahrens im BFW-Strafprozess / Für Hauptangeklagten ist Prozessende noch nicht absehbar

Von Winfried Scheidel

Kreis Rottweil.Im Strafprozess wegen krimineller Machenschaften (Betrug und Untreue) in der alten Bösinger Fleischwaren GmbH (BFW) bis kurz vor Insolvenzanmeldung im Juni 2011 soll es übermorgen, Montag, eine Zäsur geben.

Ab 14 Uhr soll das Urteil gegen die frühere Frau des hauptangeklagten ehemaligen Geschäftsführers gesprochen werden. Der 61-Jährige sieht zur Klärung der Schuldfrage weiteren Klärungsbedarf. Er, beziehungsweise sein Verteidiger, setzt auf eine weitere Beweisaufnahme, auch um angebliche Verschwörungstheorien gegen den früheren Chef zu untermauern. Dieser beharrt wild entschlossen auf dem Standpunkt, insbesondere diejenigen früheren Mitarbeiter, die heute in der neuen BFW an verantwortlichen Positionen tätig sind, hätten – vor allem ab 2010 – selbst hohe kriminelle Energie entwickelt. Das immer unkontrolliertere wilde Treiben habe der alten BFW letztlich den Garaus gemacht.

Ob der 61-jährige Angeklagte derlei Aussagen mit der Inbrunst der Überzeugung im Schwurgerichtssaal vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil kundtut, kann nur er selbst wissen. Dass er mit seinen Darlegungen allein auf weiter Flur steht, wurde auch am Mittwoch und Donnerstag, den Verhandlungstagen 19 und 20, deutlich.

Nicht nur mehrere von ihm schwer beschuldigte ehemalige Mitarbeiter widersprechen den Darstellungen des früheren Chefs und einstigen BFW-Hauptanteilseigners entschieden. Auch durch eine Schuldeingeständnis-Erklärung seiner mitangeklagten früheren Frau wird seine Glaubwürdigkeit erheblich in Frage gestellt.

Im Bestreben, nach langen Prozessmonaten der mitangeklagten Frau ein baldiges Verfahrensende zu ermöglichen, hatte die Anwältin der psychisch sehr angeschlagen wirkenden 51-Jährigen ein Geständnis zu Bereicherungen aus Schwarzgeld-Einnahmen verlesen. Mit diesen ihr von ihrem Ex-Mann zugeleiteten Geldern habe sie über etliche Jahre vor allem ihr Leben auf Ibiza finanziert. Dort habe sie sich nach dem Auseinanderleben mit ihrem Mann zusehends aufgehalten. Letzterer hingegen hatte einige Verhandlungstage vorher die Behauptung aufgestellt, das Bargeld aus Schwarzverkäufen (an einen Abnehmer aus dem Jülicher Land) sei zur Zahlung von zusätzlichen Schwarzlöhnen an gierige Mitarbeiter verwendet worden. Als die so Beschuldigten an den beiden jüngsten Verhandlungstagen danach befragt wurden, wiesen diese die Vorhaltungen strikt zurück.

Wenn die wegen Beihilfe angeklagte Frau jetzt dem für übermorgen angekündigten Urteilsspruch entgegensieht, kann sie sich nahezu sicher sein, bei einer Verurteilung mit einer zur Bewährung aussetzbaren Haftstrafe (Voraussetzung: nicht mehr als zwei Jahre) davonzukommen.

Bei einem "qualifizierten Geständnis" sei ein Strafrahmen zwischen einem Jahr und drei Monaten und einem Jahr und neun Monaten vorstellbar, hatte die Kammer vor einigen Wochen angedeutet. Darüber hinaus steht, wie berichtet, noch ein Strafrabatt von vier Monaten wegen "schuldhafter Verfahrensverzögerung der Justiz", so der Hinweis der Kammer, in Aussicht.

Bei dem Hauptangeklagten hingegen stehen die Zeichen vor allem wegen des strafrechtlich besonders ins Gewicht fallenden Factoring-Betrugs in Richtung einer Gefängnisstrafe, die angetreten werden muss: Zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren Haft war hier vor einigen Wochen die Inaussichtstellung der Kammer bei einem Geständnis. Der Hauptangeklagte und sein Anwalt haben aber seither einen Rechtfertigungskurs gefahren mit der Botschaft, dass man letztlich vor allem aufgrund etlicher gieriger und scham- und skrupelloser Mitarbeiter so tief ins Schlamassel gesunken sei. Bei den Rundumschlägen bekommen auch Dritte wie der einstige Insolvenzverwalter und ehemalige Hausbanken heftige Seitenhiebe ab.

Wegen der jeglichem Wahrheitsgehalt entbehrenden Behauptungen des früheren Kopfs des Unternehmens habe man ein Anwaltsbüro für die Abmahnung wegen geschäftsschädigenden Verhaltens beauftragt, sagte der heutige Geschäftsführer der neuen BFW am Donnerstag im Zeugenstand.

Mit großer Spannung war nach diesem Zeugenauftritt auch die erneute Befragung eines Ex-Bankers, der vom einstigen BFW-Geschäftsführer als Finanzberater ins Haus geholt worden war, erwartet worden. Die einst guten Freunde sind sich inzwischen spinnefeind. Während der Ex-Chef behauptet, der Berater habe in Sachen Finanzmanagement freie Hand gehabt, er sei aus allen Wolken gefallen, als er von den massiven Betrügereien gegenüber dem Finanzdienstleiter (Südfactoring) erfahren habe, verweist der Angesprochene solche Vorhaltungen ins Reich der Fabel. Alle Aktivitäten seien mit dem früheren Kopf des Unternehmens von Beginn an abgesprochen gewesen, erklärt der Finanzexperte.

Dem Vorwurf, ein Geschäftsmann von seinem Format habe aber doch die strafrechtliche Relevanz solcher kriminellen Machenschaften auch für nach Weisung handelnde Untergebene erkennen müssen, gibt sich der 59-Jährige treuherzig und sagt, der ehemalige Chef habe bei allem die Fäden in der Hand gehabt, Widerrede sei nicht erwünscht gewesen. Gegen den Berater, der heute als Hauptgesellschafter in der neuen BFW fungiert, ist zum strafwürdigen Geschehen in der alten BFW ein separates Strafverfahren anhängig.

Kreis Rottweil (wis). Der seit Anfang Dezember 2014 geführte BFW-Strafprozess ist nicht nur für die direkten Prozessbeteiligten – Kammer, Staatsanwaltschaft und Verteidiger haben unzählige Akten gewälzt – kein Zuckerschlecken. Eine ganze Reihe von Zeugen zeigt sich stark belastet von dem Hauen und Stechen, das mittlerweile entstanden ist beim Bemühen der beiden Angeklagten – dem einstigen Chefehepaar – die Amigo-Mentalität im Betrieb des Bösinger Fleisch- und Wurstproduzenten mit dem Verweis auf viele Profiteure aus kriminellen Geschäften darzustellen. Einstmals "beste Freunde" geben sich kein Pardon mehr, das von einstiger Feierlaune geprägte Bild ist dem einer kaum mehr zu überbietenden Frostigkeit gewichen.

Die frühere Abteilungsleiterin der Buchhaltung ist im Zeugenstand den Tränen nahe. Wegen vom damaligen Chef und dem Finanzberater an ihr vorbei angeordneten Falsch- und Luftbuchungen habe sie schließlich für sich die Reißleine gezogen und gekündigt. Widerspruch gegen die kriminellen Machenschaften hätten das Jobende bedeutet, versucht sie ihr langes Lavieren mit schwierigen Zwängen – ähnliches hört man auch von anderen – im damaligen System BFW zu erklären.

Die Persönlichkeit des Hauptangeklagten habe sich mit dem Eintritt seiner damaligen zweiten Frau in den Betrieb in den 1990er-Jahren stark verändert. Aus einem eigentlich bescheidenen, freundlichen Chef sei mit der Zeit ein immer dünnhäutigerer, genervter Mensch geworden, betonen Zeugen übereinstimmend und verweisen dabei auch auf einen von dem damaligen "Chefehepaar" zunehmend zelebrierten luxuriösen Lebensstil, in den auch ausgewählte Beschäftigte mit einbezogen wurden.

Auf einem ganz anderen Blatt steht das Thema Factoring-Betrug. Bei den Schilderungen zum Ablauf der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Finanzdienstleiter Südfactoring (SF) – einer Tochter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) – geraten Prozessbeobachter immer wieder in höchstes Staunen: Mit welch’ unkontrollierter Lässigkeit bei der SF im Rahmen des Aufkaufs von BFW-Rechnungen an deren Kunden – oft renommierte Handelsketten – gut 900 000 Euro zuviel an die BFW aufgrund dort getätigter Falsch- und Luftbuchungen überwiesen wurden, ist schier unglaublich. Sobald Bösingen meldete, dass wieder ein Kunde mit Waren beliefert wurde, kam von der SF – quasi in vorauseilendem Gehorsam – Geld aufs BFW-Konto. Rechnungsbelege scheinen beim LBBW-Ableger kaum interessiert zu haben, sonst hätte die biedere Betrugsmasche viel früher auffallen müssen.

Von Winfried Scheidel

Im Wirtschaftskrimi BFW brandmarkt der angeklagte Ex-Chef ehemalige Untergebene als mit hoher krimineller Energie operierende Mittäter. Diese sollen bei den strafbaren Machenschaften sogar aus eigenem Antrieb Regie geführt haben. Als mit langer Leine operierender Firmenpatriarch habe er auf die Kompetenz des Teams gebaut, sei dabei aber schamlos ausgenutzt worden und gnadenlos ins Messer gelaufen. Auch auf Insolvenzverwalter und Hausbanken ist der 61-Jährige nicht gut zu sprechen. Er agiert bei seinen Rundumschlägen offenbar auch im Glauben, nichts mehr verlieren zu können. Auf der Anklagebank räumt er zwar ein, "falsch, dumm und unrecht" gehandelt zu haben. An Reumütigkeit und Geständnisbereitschaft ist sonst aber wenig zu spüren. Punkte für ein milderes Urteil dürfte die Verteidigung mit dieser Strategie kaum sammeln.