Bäckermeister Dietmar Keller aus Winzeln zeigt den größten Stromverbraucher: die Kühlanlage in seiner Backstube. Foto: Fleig Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: EEG-Umlage belastet Backhandwerk / Industrie wird stark bevorteilt / Neues Gesetz empört Zentralverband

Mehr als 37 800 Brötchen hat Bäckermeister Dietmar Keller im vergangenen Jahr gebacken, um die EEG-Umlage zu finanzieren. Wie viele andere Bäcker, die auf traditionelle Handwerkskunst setzen. Die Backindustrie indes ist von der Abgabe befreit.

Kreis Rottweil. In der Backstube von Dietmar Keller in Winzeln ist alles vorbereitet für die frühen Morgenstunden. Die Früchte eines langen Arbeitstages lagern auf vielen Ebenen in der großen Kühlanlage. In wenigen Stunden wird der Bäckermeister mehrere tausend Teiglinge an die Filialen des "Backkörbles" ausliefern.

Wie viele weitere Bäcker im Kreisgebiet setzt Keller noch auf traditionelles Handwerk statt auf industrielle Großfertigung. Dafür muss allerdings tiefer in die Tasche gegriffen werden. Im Gegensatz zu industriell arbeitenden Großbäckereien gibt es keine Befreiung von der Zahlung der EEG-Umlage.

Diese ist Bestandteil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das die Bundesregierung 2003 auf den Weg gebracht hat. Die Abgabe soll den Ausbau regenerativer Stromgewinnung finanzieren.

Grundsätzlich müssen alle Verbraucher die EEG-Umlage bezahlen. Deren Höhe richtet sich dabei nach dem jeweiligen Stromverbrauch. Allerdings gibt es Ausnahmen: Betriebe, die besonders viel Strom benötigen oder in starkem internationalen Wettbewerb stehen, sind teilweise von der Umlage befreit. Das gilt auch für die deutsche Backindustrie.

Ungerecht finden das die Bäckermeister der vielen kleinen Betriebe, die als Handwerker nicht von der Ausnahmeregelung profitieren. Denn auch sie verbrauchen große Mengen an Strom, um ihre Öfen und Kühlanlagen zu betreiben. Deshalb wirft der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks der Regierung eine "staatlich verursachte Wettbewerbsverzerrung" vor.

Aufwind erfährt die Debatte derzeit durch ein neues Gesetz, das eigentlich für mehr Gerechtigkeit sorgen soll. Schrittweise will die Regierung ab Januar 2019 die Kosten für die Übertragung von Strom bundesweit angleichen. Bisher hatte es lokal starke Unterschiede gegeben. Dazu hat der Bundestag Ende Juni das sogenannte Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur beschlossen. Allerdings sieht das Gesetz auch weitere Entlastungen der Industrie vor – das Handwerk indes berücksichtigt es nicht. So sollen industrielle Großbetriebe künftig nicht mehr an den Kosten für Offshore-Windanlagen auf hoher See beteiligt werden.

Zusätzlich zu den Nachteilen aus der EEG-Umlage kritisiert Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes: "Mit dem neuen Gesetz kommt es zu einer Strompreisdiskriminierung der Privathaushalte und des Mittelstands, die die Rabatte der großen Stromkunden finanzieren müssen." Und auch Gotthard Reiner, Präsident der Handwerkskammer Konstanz bezieht klar Stellung: "Das Handwerk steht hinter der Energiewende, aber die Kosten müssen auf alle Schultern verteilt werden."

Diese Ansicht teilt auch Dietmar Keller. Mehr als 15 000 Euro hat er im vergangenen Jahr nur für die EEG-Umlage bezahlt. "Dafür backe ich etwa 37 800 Brötchen." Die höheren Kosten muss er an seine Kunden weitergeben, "sonst gehe ich unter". Allerdings reagierten Verbraucher gerade bei Backwaren sensibel auf Preiserhöhungen. Die Situation spitzt sich für Keller weiter zu, als er vor Jahren veranlasst, dass in den einzelnen Filialen frisch gebacken wird. Das komme bei seinen Kunden zwar gut an, aber "der Stromverbrauch ist eklatant angestiegen".

Präsident Reiner: Das Handwerk steht hinter der Energiewende, aber die Kosten müssen auf alle Schultern verteilt werden

Deshalb sind dem Bäckermeister die Forderungen des Zentralverbands und der Handwerkskammer Konstanz nach einem Umschwenken der Politik ein dringendes Anliegen. "Die Energiewende muss mittelstandsgerecht ausgestaltet werden", heißt es dazu in einer Agenda des Zentralverbands des deutschen Handwerks. Der Verband warnt vor deutlichen "Wettbewerbsverzerrungen" durch das neue Gesetz.

Dann müssen auch die Bäcker im Kreis noch mehr Brötchen zur Finanzierung der Energiewende backen. Dietmar Keller bedauert: "Bisher wurden wir von der Politik nicht gehört."