Joachim Schneider im PARTEI-Anzug. Foto: PARTEI

OB-Wahl: Kandidat der PARTEI wirft seine bisherige Wahlkampfstrategie komplett über den Haufen.

Rottenburg/Horb - Politische Kehrtwende: Joachim Schneider von der PARTEI will mit einem ernsten Wahlprogramm statt satirischer Komik am Sonntag bei der OB-Wahl in Rottenburg punkten.

Was ist denn jetzt los? Rottenburgs OB-Kandidat von "Die PARTEI", Joachim Schneider, besuchte für ein Gespräch unsere Horber Lokalredaktion. Schon bei der Begrüßung konnte man erahnen, dass das folgende Gespräch nicht den Lauf nehmen wird, den man bei einem Dialog mit Abgeordneten der Partei gewohnt ist.

Nicht im gewohnten Dresscode (grauer Anzug, rote Krawatte und weißes Hemd), sondern mit Jeans und T-Shirt kam der 25-jährige Gegenkandidat von Oberbürgermeister Stephan Neher (CDU) in unsere Redaktion. Und auch die erste Aussage sorgte für Verunsicherung: "Ich möchte eine zumindest einigermaßen seriöse Gegenalternative bieten" – das klingt überhaupt nicht nach den Grundprinzipien der Partei.

"Die PARTEI" wurde 2004 durch Mitarbeiter des Satiremagazins "Titanic" gegründet und laut eines Dossiers der Bundeszentrale für politische Bildung als eine "(unterhaltsame) Satirepartei" bezeichnet. Vorsitzender ist der von seinen Parteianhängern genannte "größte Vorsitzende aller Zeiten" Martin Sonnebborn, der seit 2014 mit Mandat im EU-Parlament sitzt. Auf den bisherigen Wahlprogrammen finden sich immer wieder Punkte wie das Errichten von Mauern, eine Einführung der Faulenquote oder die Forderung nach einem G1-Schulsystem. Folglich war der einzige Konkurrent von OB Neher bei der Kandidatenvorstellung vergangene Woche noch voll auf PARTEI-Linie: Er forderte eine Mauer, die er um Rottenburg ziehen will, um die Bürger vor Baden zu schützen. Weitere Forderungen waren die Eingemeindung von Neustetten, damit Rottenburg zu einer runden Sache werde, oder den Umbau des Gefängnisses zu einem Luxushotel.

Im Gespräch mit unserer Zeitung bezeichnete Schneider diesen eigentlich passenden Auftritt bei der Kandidatenvorstellung als "einzigen Fehltritt" in seinem Wahlkampf. Wie bitte? Was muss passieren, dass ein eingefleischter PARTEI-Angehöriger, der im Internet veröffentlicht, dass er eine selbstkritische Biographie über sich schreiben möchte, mit dem Titel "18 Promille" plötzlich weg von der Satire, hin zum seriösen OB-Kandidaten werden will?

"Als ich erfahren habe, dass ich der einzige Gegenkandidat von Stephan Neher bin, war ich entsetzt", argumentiert Schneider, der seit der Landtagswahl 2011 bei der PARTEI aktiv ist, "hätten sich noch weitere Personen zur Wahl aufstellen lassen, hätte ich sehr gerne einen satirischen Wahlkampf gemacht." Doch in diesem Fall wolle er nicht als Spaßvogel antreten, sondern jetzt auf den letzten Metern einen ernsten Wahlkampf betreiben. Viel Zeit bleibt dem stellvertretenden Vorsitzenden der Partei im Kreisverband Esslingen nicht mehr, um seinen Politikwechsel den Wählern zu präsentieren – schon am Sonntag öffnen die Wahllokale. "Ich habe bereits die Plakate und Flyer geändert und mich die vergangenen Tage viel mit Bürgern unterhalten und mir ihre Sorgen angehört", sagt der 25-jährige Kandidat aus Neuhausen auf den Fildern (Kreis Esslingen). So nimmt er sich der neuen B 28 an, die "in irgendeiner Art kommen muss, aber man muss eben auch auf die Anwohner achten".

Doch was für ein Ergebnis erhofft sich Joachim Schneider überhaupt am Sonntag? "Unter dem Motto der Partei würde ich sagen, ich hoffe auf 100 Prozent plus X der Stimmen", erzählt Schneider und muss schmunzeln. Aber das wolle er ja jetzt nicht. Er hoffe, dass es am Sonntag kein eindeutiges Ergebnis gibt und es zum zweiten Wahlgang am 10. April kommt. "Ich würde mich dann über weitere Bewerber freuen, die sich aufstellen lassen, dann könnte ich auch wieder unter der PARTEI antreten und den ursprünglich gewollten Wahlkampf führen."

In diesem Fall könnten auch wieder die gewohnten Parteiprogramme auf den Wahlplakaten erscheinen. Dann müsste möglicherweise die neue B 28 größeren Bauprojekten wie einem Eugen-Bolz-Flughafen weichen. Bis zur Wahl am Sonntag hat Joachim Schneider noch einiges vor. Heute Abend will er sich in Ergenzingen bei einer Bürgersprechstunde den Fragen der Wähler stellen. Am morgigen Samstag ist er auf dem Rottenburger Marktplatz präsent und will ab 15 Uhr in der Maximus Café Bar eine weitere Bürgersprechstunde abhalten.