Vorwurf: Heroin, Kokain und Marihuana aus Holland eingeführt und an Rottenburger Dealer verkauft

Von Lena Müssigmann

Tübingen. Im November klickten die Handschellen: Zwei Drogen-Großhändler, die die Tübinger Szene vor allem mit Heroin versorgten, wurden nach monatelanger Überwachung an einer Autobahnraststätte in Bruchsal festgenommen. Nun stehen sie vor Gericht.

Sie sollen laut Anklage zwischen Ende 2013 und ihrer Festnahme mindestens einmal pro Monat 500 Gramm Heroingemisch, gelegentlich auch Kokain und Marihuana, eingekauft und in Rottenburg an einen Dealer verkauft haben. Der verkaufte den Stoff in der Tübinger Szene.

Der älteste Angeklagte ist 43 Jahre alt, er lebte zuletzt in Mössingen. Er kommt in etwas gebückter Haltung in den Gerichtssaal. Seine Hose ist mit einem Gürtel fest um den Körper geschnürt. Über 40 Kilo soll er in der U-Haft abgenommen haben. Er ist bereit, vor Gericht zu reden und gesteht, dass er die Taten wie in der Anklageschrift festgehalten, begangen hat.

Sein ehemaliger Geschäftspartner (40) kommt mit breitem Kreuz in den Saal. Er lebte zuletzt in Bodelshausen. Er hat einen kahl rasierten Kopf und kneift seine Augen zusammen. Er äußert sich unzufrieden über seinen Anwalt, und mit etwas Fantasie kann man sich vorstellen, dass er die angelegten Fußfesseln sprengen könnte. Er behauptet, dass keine der Taschen, in denen bei der Festnahme Drogen gefunden wurden, ihm gehöre. Überhaupt stimme nicht, was in den Akten steht.

Der vorsitzende Richter kommentiert diese Versuche der Leugnung: "Ich verurteile auch Straftäter, die nicht geständig sind."

Den Männern droht wegen der Einfuhr und des Handels von Drogen im großen Stil eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und 15 Jahren. Vor wenigen Wochen wurde der Dealer aus Rottenburg, den die Männer beliefert haben, zu sieben Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Es ist möglich, dass die Haftstrafen für die Großhändler noch etwas höher ausfallen.

Der Schlag gegen die Drogen-Großhändler ist konsequenter Ermittlungsarbeit geschuldet. Angefangen hatte alles mit einem Todesfall eines Heroinkonsumenten in Tübingen. Daraufhin haben Ermittler ab 2013 versucht, Versorgungsstrukturen der Szene aufzudecken. Sie haben den Rottenburger Dealer beschattet und mehrere Tausend Telefongespräche abgehört. Der Rottenburger Dealer hat allerdings nie direkt Kontakt zu seinen Großhändlern aufgenommen. Eine Art Telefonkette über zwei zwischengeschaltete Frauen sollte den Kontakt verwischen. Doch die Ermittler konnten die Telefonkette nachverfolgen und des Weiteren Besuche der beiden Angeklagten bei dem Rottenburger Dealer beobachtet – Treffen, bei denen vermutlich Drogen geliefert wurden.

Im November 2014 hatten die Ermittler genügend Material gesammelt: Sie verhafteten die Großhändler auf dem Rückweg von einer Einkaufstour in Holland. Im Auto fanden sie Reisetaschen, in denen ein Kilo Marihuana und ein Kilo Kokaingemisch versteckt waren. Die Männer wurden festgenommen.

Mit den ihnen vorgeworfenen Verkäufen dürften sie im Beobachtungszeitraum von gut einem Jahr mehr als 180 000 Euro Umsatz gemacht haben. Beide Angeklagte waren zeitweise arbeitslos. Beide schildern Erfahrungen mit Heroin, der ältere will zum Zeitpunkt der Tat selbst abhängig gewesen sein, was ihm der Oberstaatsanwalt nicht so leicht glauben will. Im Verlauf des Verfahrens werden psychiatrische Gutachten über die beiden Angeklagten erwartet, in denen auch eine mögliche Sucht thematisiert werden könnte.

Noch ein dritter Mann sitzt mit auf der Anklagebank: Ein 37-Jähriger, ebenfalls aus Mössingen, der kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 2014 in den illegalen Drogenhandel seiner zwei Bekannten eingestiegen sein soll. Ihm können allerdings laut Anklage nur drei Drogenverkäufe nachgewiesen werden, wofür laut Oberstaatsanwalt zwischen ein und 15 Jahre Haft stehen könnten.