Wolfram Weidle ist nicht amüsiert darüber, was man seiner schwerbehinderten Schwester verkauft hat. Foto: Morlok

Blanke Abzocke statt fairer Beratung. Bruder: "Sie konnte das Gerät nicht einmal einschalten."

Rottenburg - Steht Provision vor Menschlichkeit und Profit vor Moral? Diese Frage stellt man sich, wenn man die Geschichte, die die schwerbehinderte Sabine Lobinger bei ihrem Besuch im Shop eines Telekommunikationsanbieters in der Königstraße erlebte, betrachtet.

Die 50-jährige leidet an einer fortschreitenden neurologischen Krankheit, deren Symptome in etwa mit der Schüttellähmung von Parkinson vergleichbar sind. Normalerweise lebt sie bei ihren Eltern auf der Alb, doch als diese vergangenen Monat in Urlaub waren, wohnte sie in der Kurzzeitpflege im "Haus am Hospitalgarten" in der Bischofsstadt.

Leider ging in dieser Zeit ihr Klapphandy kaputt. Um weiter mit ihren Angehörigen telefonieren zu können, wollte sie sich ein neues Telefon beschaffen. Der Weg in den nächsten Shop des Telefonanbieters war kurz und mit einer Pflegeperson – alleine kann sie selbst die kürzesten Wege nicht mehr gehen – marschierte sie auf ihren Rollator gestützt dorthin.

Heraus kam sie mit einem Smartphone für 149,95 Euro, zu der sie noch eine Hülle für 39,95 Euro verkauft bekam, anstatt beispielsweise einem für sie wesentlich besser geeigneten Modell für 66 Euro. Es wären auch noch wesentlich preiswertere, behindertengerechte Modell im Angebot gewesen. Dies zeigt ein Blick ins Internet-Angebot des Unternehmens. Nein, ein Smartphone sollte es dann schon sein und damit das teure Ding ja nicht kaputt geht, auch noch eine ordentliche Schutzhülle.

Anstatt Geld und einer Entschuldigung gab es eine ordentliche Abfuhr

G ekauft hat sie das Gerät am 11. August. Ihr Bruder Wolfram Weidle besuchte seine Schwester, als er am 21. aus dem Urlaub zurück war. Er fiel aus allen Wolken, als sie ihm ihr neues Smartphone zeigte. "Schalt es einmal ein, und zeig mir, was es kann", bat er seine Schwester; wohl wissend, dass sie das gar nicht konnte. "Sie konnte das Gerät nicht einmal einschalten, geschweige denn bedienen", erklärte er im Gespräch mit unserer Zeitung. "Sie ist kognitiv und motorisch sehr stark beeinträchtigt, und deshalb fällt ihr das Gerät auch oft aus der Hand – schon allein deshalb ist so eine fragiles Smartphone total falsch am Platz."

Er ist mit Gerät und der Originalverpackung im Shop vorstellig geworden und hat innerhalb der 14-tägigen Rückgabefrist darauf bestanden, dass man das Gerät samt Hülle zurücknimmt und den vollen Verkaufspreis erstattet. Aber anstatt Geld und einer Entschuldigung gab es eine ordentliche Abfuhr.

Das Gerät sei nun gebraucht und könne daher nicht mehr zurückgenommen werden, wurde ihm vom Verkäufer klipp und klar beschieden. Man könne nicht bei jedem Kunden, der mit dem Rollator unterwegs wäre, davon ausgehen, dass er kein Smartphone bedienen könne, so der zuständige Mitarbeiter auf unsere telefonische Nachfrage. "Wenn die Frau das Smartphone nicht nutzen kann, dann soll sie es im Internet verkaufen", sein lapidarer Tipp zu dieser für ihn scheinbar lästigen Angelegenheit. Auch auf unsere Nachfrage hin, ob man die Kuh nicht irgendwie über Kulanz vom Eis bringen könne, um so kein schlechtes Licht auf die Rottenburger Filiale werfen zu müssen, zeigte sich der Verkäufer uneinsichtig. Er sei nicht in der Position, diesen Vorgang rückgängig zu machen und habe die Angelegenheit an höhere Stelle weitergegeben. An welche höhere Stelle, und wen man dort anrufen könne, das verschwieg der Herr aus datenschutzrechtlichen Gründen, wie er sagte.

Der Verkäufer sei doch nur fürs Verkaufen zuständig, nicht für die Kundenzufriedenheit

Auch ein Schreiben von Weidle an den Vorstand des Unternehmens in Bonn half nicht weiter. Ihm wurde telefonisch mitgeteilt, dass es sich bei den Verkäufern in den Filialen um freie Mitarbeiter handele, auf die man keinen direkten Einfluss habe. "Ein Herr hat mich angerufen und gesagt, dass man mit dem Mitarbeiter schwätzen müsse", so die für Weidle unbefriedigende Antwort. Warum schwätzen? Der Verkäufer sei doch nur fürs Verkaufen zuständig, nicht für die Kundenzufriedenheit. Und wenn so ein Smartphone-Display Fingerspuren hat, dann kann man so ein Ding ja auf gar keinen Fall zurücknehmen. Ist doch klar! Oder?

Sabine Lobinger ist mit einem für sie passenden Klipp-Klapp-Handy aus dem Familienbestand ausgestattet, doch ihr Bruder muss nun auf ein Smartphone aufpassen, das niemand wollte.

So kann‘s gehen, wenn Profit vor Moral regiert.