So viele Bürger wie nie verfolgten die Sitzung des Gemeinderat am Dienstagabend. Foto: Baum

Gemeinderat winkt Bewerbung trotz massiver Proteste durch. Ansiedlung am Flugplatzgelände?

Rottenburg - Bei drei Enthaltungen und zwei Nein-Stimmen beschloss der Gemeinderat mehrheitlich, dass sich die Stadt beim Land um die Ansiedlung einer Justizvollzugsanstalt in Baisingen bewirbt.

Gebaut werden würde das Gebäude auf dem ehemaligen Flughafengelände, welches Baisingen ab 2014 bebauen kann. Gemeinderätin Margarete Nohr meinte, sie könne die Ängste der Bürger verstehen. Viele hätten Angst, dass mit der Bewerbung der Stadt alles vergeben sei. Eine Bürgerinformation sei wichtig. Aber wenn der Ortschaftsrat zur Ansiedlung einer Justizvollzugsanstalt nein sage, werde der Gemeinderat nicht mehr darüber reden.

Albert Bodenmiller (BfH/Linke) betonte, dass es nicht gut sei, die "Ausverkaufsmentalität" fortzusetzen. Wenn eine Bewerbung der Stadt um den Bau einer JVA in Baisingen erst einmal draußen sei, gebe es kein Zurück mehr, warnte Bodenmiller. Neher warf Bodenmiller vor, er springe aufgrund der Protestbewegung in der Baisinger Bürgerschaft auf den Zug. eine JVA sei kein störender Betrieb. Es gebe keine Emissionen, und die Häftlinge bräuchten nachts ihre Ruhezeiten. "Eine Justizvollzugsanstalt ist für das geplante Gewerbegebiet eine Aufwertung", meinte Neher.

Die Bevölkerung sei sofort informiert worden, es habe zwei Mal im Ort Diskussionen mit der Bürgerschaft gegeben. Auch seien sieben bis zehn Bewerbungen von Städten um den Bau einer JVA in Baden-Württemberg eingegangen. "Die Chancen von Rottenburg sind nicht so gut", räumte der OB ein, aber man profitiere von der Nähe zur A 81.

Image sei nicht beschädigt

Karl Schneiderhan (CDU) berichtete aus seinen Erfahrungen mit einer JVA. Er wohne in unmittelbarer Nähe der JVA in Rottenburg. Hier habe die Stadt vor 13 Jahren ein Neubaugebiet für junge Familien erschlossen. Die Familien mit Kindern kämen trotz der JVA, es habe hier noch nie einen Vorfall gegeben. Das Image von Rottenburg und die Attraktivität der Stadt sei nicht beschädigt. In Rottenburg laufe es gut mit der JVA, es gebe auch kulturelle Aktionen der Lokalen Agenda im Knast. Man müsse "die Kirche im Dorf lassen", so Schneiderhan, "viele Bedenken bestätigen sich nicht."

Für Neher überwiegen die Vorteile einer JVA in Baisingen: So sei der Bau und auch die Unterhaltung des Gebäudes für örtliche Handwerker und Betriebe von Vorteil, zudem gebe es für Erstwohnsitzbürger Schlüsselzuweisungen des Landes. Befürchtungen, in der Nähe einer JVA zu wohnen, würden nicht greifen. Seit 2008 sei kein Häftling mehr ausgebrochen, passiert seien derartige Zwischenfälle immer bei Freigängen oder bei Hafturlaub.

Baisingens Ortsvorsteher Horst Schuh berichtete aus dem Ortschaftsrat, der sich mehrheitlich für den Bau einer JVA auf dem Flugplatzgelände ausgesprochen hatte (wir berichteten). Es gehe nun um die Bewerbung mit einem Grundstück und noch nicht um den Verkauf. Baisingen habe nur eine geringen Chance, da das Suchdreieck zwischen Tuttlingen, Rottweil und Donaueschingen liege. Die Ortschaftsverwaltung werde eine Bürgerversammlung einberufen und die Bürger informieren. Auch soll die Meinung der Bürger zum Thema abgefragt werden.