Torbogen-Theater präsentiert "Rösle von Seebronn" / Stück von Ernst Maier zeigt Althergebrachtes in einem modernen Gewand

Von Marly Scharnowski

Rottenburg. Ein voll besetztes Haus – welches Theater wünscht sich das nicht. Aber dass Gäste wegen des großen Ansturms auf die nächste Veranstaltung vertröstet werden müssen, dürfte eher selten sein. So geschehen bei der Premiere "Rösle von Seebronn" des Theaters am Torbogen.

Die Einführung wurde von Kulturwissenschaftler Eckart Frahm gehalten. Er stimmte das Publikum auf die Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts ein, in dem Vorurteile, feste Regeln, Dickköpfigkeit und die Hierarchie der Alten und Reichen ein fester Bestandteil des Lebens waren.

Wie es früher auf dem Land so war: Äckerle zu Äckerle, Bauernhof zum Bauernhof. Marie und Karl Deutschle wurden verheiratet, Karl war der Jungbauer und Sohn vom Schultes Deutschle. Marie, die früher verlobt war, litt noch unter dem plötzlichen Tod ihrer großen Liebe. Kalt und geizig ging es in ihrer neuen Familie zu.

Als eine der Mägde ausfiel, kam Rösle an den Hof. Ihr ging die Arbeit leicht von der Hand, sie wurde geschätzt und alle im Haus mochten sie. Eifersüchteleien und Hinterhältigkeiten der Jungbäuerin und der Hausfrau brachten sie in Misskredit, sie wurde entlassen. Ihr nächster Weg war zu ihrer Dote (Patin), doch sie wurde wieder zurückgeholt. Der Jungbauer, ärgerlich und genervt ob seiner ständig in sich gekehrten Ehefrau, warf nicht nur ein Auge auf die attraktive, fröhliche Magd. Es kam wie es kommen musste, Rösle wurde schwanger. Wie die meisten Mütter nahm Frau Deutschle ihren Sohn in Schutz, der ja nichts für die Schwangerschaft konnte, zumal das Rösle ja auch noch evangelisch war und deshalb schon "verderbt". Ein Leidensweg begann für das Rösle.

Das Stück von Ernst Meier wurde 1979 als Fortsetzungsroman in der Zeitung gebracht, als Hörspiel kam es im Radio. Was den Ernst Meier nach 150 Jahren plötzlich so interessant macht, kommt daher, dass der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger über Meier "gestolpert" ist, als er nach semitischen Sprachen und volkskundlichen Skizzen suchte – und Meier traf mit seiner Geschichte "Rösle von Seebronn" den richtigen Ton.

Das Schauspiel ging locker über die Bühne; die Darsteller beherrschten ihre Rollen, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. Als Chronist fungierte Reinhard Kilian, der die Zeitsprünge im Stück kommentierte.

Was Heidi Heusch, Prinzipalin des Torbogen-Theaters und Dramaturgin, da gelungen ist, ist großartig. Aus einer alten Erzählung wird ein modernes Stück, das jedoch das Althergebrachte in keinem Moment außer Acht lässt. Der Spagat zwischen Unterhaltung und sozial-kritischer Handlung dürfte wohl einmalig sein.

Das Stück wird so perfekt präsentiert, dass niemand auf die Idee kommt, wie viel Zeit der Vorbereitung es gekostet hat. Die Schauspieler und Schauspielerinnen, alles Laien, mussten gefunden werden, das schwäbisch erlernt, Mimik und Gestik einstudiert, das Lampenfieber abgebaut werden. "Mir hent au noch Sprech-, Atem- und Körperübungen mache müsse", so eine Darstellerin.

Ein sehenswertes Stück, das so ganz anders ist, als Bauerntheater, mit dem sich auch heute noch mancher identifizieren kann, nie langweilig und nichts überdreht.

Weitere Informationen: Zu sehen am 25. Oktober um 19 Uhr und 26.Oktober um 17 Uhr im Torbogen-Theater, sowie am 8. November um 19 Uhr und 9.November um 17 Uhr im Kusterdinger Klosterhof. Es wird dringend empfohlen, sich rechtzeitig Karten zu reservieren. Die Darsteller: Rösle Talyssa Vanini, Marie Julia Mildner-Powell, Karl Deutschle Monika Kurbel, Schultes Deutschle Peter Wagner, Frau Deutschle Marie-Luise Dörflinger-Wagner, Dote Mechthild Ritter, Pfarrer Reinhard Mayer, Adlerwirt Jörg Schönrock, Adlerwirtin Margret Schönrock und 15 weitere, sehenswerte Akteure.