Mit Plastikflaschen protestieren diese jungen Frauen in Montevideo gegen den Wassermangel. Foto: dpa/ /Matilde Campodonico

In Uruguays Hauptstadt Montevideo droht die Trinkwasserversorgung zusammenzubrechen. Schuld haben eine Dürre und politische Fehler. Die Kirche ruft zum Beten auf.

Zu Wochenbeginn offenbarte die Tageszeitung „El Observador“ ihren Lesern das ganze Ausmaß der Misere: „Die harte Realität“ stand auf dem Titelblatt, kombiniert mit den erschreckenden Bildern aus dem nahezu ausgetrockneten Stausee Paso Severino, der gut zwei Autostunden nördlich der Hauptstadt Montevideo gelegen ist und die Trinkwasserversorgung der 1,4-Millionen-Metropole sicherstellt. Ganz Uruguay hat 3,4 Millionen Einwohner.

So war es jedenfalls bislang. Doch eine historische Dürreperiode, die es so seit 115 Jahren nicht gab, ließ den Pegel des Stausees sinken. Am Dienstag waren es noch drei kümmerliche Prozent des Fassungsvermögens. Die Experten haben ausgerechnet: „Das reicht noch genau für zehn Tage.“ Wirtschaftsministerin Azucena Arbeleche kündigte einen Gesetzentwurf an, der die Gründung eines Notfonds für den Wassernotstand vorsieht. Das Arbeits- und Sozialministerium will ab sofort zwei Liter Trinkwasser pro Kopf an 500 000 Menschen verteilen.

Die Bevölkerung erwartet Lösungsvorschläge

Vizeumweltminister Gerardo Amarilla fasst die Stimmung zusammen: „Wie sehr wir einen Regenschauer vermissen.“ Die Bevölkerung erwartet Lösungsvorschläge. Sowohl die konservative „Partido Liberal“ als auch das Linksbündnis „Frente Amplio“, die sich in den vergangenen Jahrzehnten an der Macht abwechselten, haben die Gefahr unterschätzt. Mit einer solchen Dürre hatte niemand in Uruguay gerechnet. Hinzu kommt: Die Bevölkerung Montevideos ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen, ohne dass Versorgungsinfrastruktur für das Wasser mitgewachsen ist.

Ein Griff an den Wasserhahn verdeutlicht, wie ernst die Lage schon jetzt ist. Es dauert fast eine halbe Minute, bis sich der Druck stabilisiert. Luft und Wasser kämpfen mit einem röchelnden Geräusch um die Macht in der Leitung. Längst decken sich die Menschen mit Trinkwasserflaschen ein, besonders begehrt sind die großen Sechs-Liter-Kanister. Die Regierung hat die Mehrwertsteuer gesenkt. Die Zeitungen veröffentlichen täglich die aktuellen Preise für Trinkwasserflaschen.

Die gefragtesten Experten im Land sind die Meteorologen

Die gefragtesten Experten des Landes sind aktuell die Meteorologen, die nicht nur erklären müssen, warum es so lange nicht geregnet hat, sondern auch, ob es bald wieder Hoffnung gibt. „Eine der Hauptursachen ist das seit drei Jahren anhaltende La-Niña-Phänomen“, sagt Nestor Santayana, Direktor für Meteorologie und Klima des uruguayischen Instituts „Inumet“ im Gespräch mit unserer Zeitung.

„La Niña“ heißen die Temperaturanomalien an der Oberfläche des tropischen oder äquatorialen Pazifiks. Diese Anomalien sorgen für ein Wasserdefizit in der südlichen Region Südamerikas – und hier ist Uruguay betroffen. Santayana nennt noch einen zweiten Faktor, die natürliche Variabilität der Atmosphäre. Diese habe im vergangenen Sommer einen Effekt erzeugt, bei dem nördlich von Zentralbrasilien kontinuierliche Niederschläge auftraten, die die Niederschläge im Süden verringerten: Brasilien litt unter Regenfluten, während in Uruguay und Argentinien Frühling und Sommer mit einem deutlichen Regen-Defizit endeten.

Leitungswasser ist salzig und riecht nach Chlor

Der wegen mangelnder Investitionen in die Kritik geratene Wasserversorger namens OSE mischt das letzte Restwasser aus dem Stausee mit dem Wasser des gewaltigen Rio de la Plata an dessen Ufern Montevideo und – auf der südlichen Gegenseite – Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires liegen. Doch dadurch erhöht sich der Salzgehalt des Trinkwassers und auch der Gehalt an Chlor, mit dem das Wasser desinfiziert wird.

Das Thema „Salzgehalt“ ist inzwischen politisch wie emotional aufgeladen. Die Stadtverwaltung Montevideos warnt Schwangere vor der Gefahr von Missbildungen. Bürgermeisterin Carolina Cosse kündigte die kostenfreie Verteilung von Trinkwasserflaschen an werdende Mütter an. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dagegen, der Gebrauch des Wassers sei gesundheitlich unbedenklich.

Die Kirche ruft Uruguayer zum Beten auf

So kommt es im Großraum Montevideo zu bizarren Momenten: Eine Autowaschanlage ließ Schilder aufstellen: „Wir waschen nicht mit dem Wasser des OSE, wir haben einen Brunnen.“ Der Hinweis gilt doppelt: Es wird kein offizielles Trinkwasser verbraucht und die Ängste vor allzu salzhaltigem Wasser am Lack genommen.

Das Thema Wassermangel hat auch die katholische Kirche erreicht. Montevideos Erzbischof, Kardinal Daniel Sturla, rief die Pfarreien auf, am Ende des Gottesdienstes um Hilfe zu bitten. „Unser Gott, in dem wir leben, uns bewegen und existieren, wir bitten dich, dass du uns den nötigen Regen schenkst.“ Er selbst stellte einen entsprechenden Post bei Twitter ins Netz, er wurde bislang über 560 000-mal abgerufen.