Nicht alle Skelette sind noch intakt. Oft findet Grabungstechnikerin Renate Reschmann auch nur einzelne Knochen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Archäologen geben Einblick in Grabung neben dem Rathaus / Wissenschaftler auf Suche nach Geschichte

Pforzheim. Schon zwei Skelette hat das Team um Folke Damminger, Oberkonservator für Mittelalterarchäologie am Regierungspräsidium Karlsruhe (Denkmalreferat), in den vergangenen Wochen bei Grabungen hinter dem Rathaus zutage gefördert.

Zeit, einen Blick hinter den Zaun zu werfen, wo die Archäologen täglich jahrhundertealte Gegenstände und Knochen ausgraben, die von einer Zeit erzählen, als auf dem Areal des ehemaligen Dominikanerklosters noch Begräbnisse stattfanden.

Es ist 9 Uhr morgens, und in der sechs Grad kalten Luft liegt schon ein Hauch von Winter. In dicken Jacken und mit Schals um den Hals besprechen Folke Damminger und Grabungstechnikerin Renate Reschmann in einem kleinen Baucontainer den Plan für den Tag. In der Grube, keine fünf Meter entfernt, hebt Grabungsarbeiterin Ingrid Strubel mit einem kleinen Bagger das Erdreich aus.

Sie muss vorsichtig vorgehen und langsam Schicht für Schicht abtragen, damit keine Funde übersehen oder beschädigt werden. "Bei einem solch großen Areal können wir unmöglich alles per Hand ausgraben", erklärt Damminger. Die Gefahr, etwas zu übersehen, sei dennoch sehr gering. "Wir können an den verschiedenen Erdschichten erkennen, wann wir auf einen Abschnitt stoßen, in dem Funde zu erwarten sind." Dann wird wieder zu Spatel und Stukkateureisen gegriffen und von Hand weitergearbeitet.

Der Baucontainer gleicht einer Werkstatt. Zollstock und Schutzhelm liegen in den Regalen neben allerlei Werkzeug, Spaten, Handbesen und Kellen. Gegenüber lagern Boxen und Plastiktütchen zur Aufbewahrung der Funde. Am Fenster steht ein kleiner Zeichentisch. Jede Entdeckung wird detailgetreu nach Himmelsrichtungen ausgerichtet, mit Koordinaten versehen und zentimetergenau abgezeichnet. "Wir versuchen, festzuhalten, was wir sehen. So kann man später nachvollziehen, wie die Funde angeordnet waren", erklärt Renate Reschmann.

"Wir hatten im Hinterkopf, dass wir hier wahrscheinlich auf Skelette stoßen werden. Mit dieser Menge auf engstem Raum haben wir allerdings nicht gerechnet", so Damminger. Gebeine von mehr als 100 Menschen werden sie im nächsten Jahr bei der großen Ausgrabung finden, schätzt der Grabungsleiter.

Trotz der Routine, ein ethischer Umgang mit den Überresten sei ungemein wichtig, sagt die Grabungstechnikerin. Darum wird überlegt, die Knochen, die nicht zugeordnet werden können, in einem Sammelgrab auf einem städtischen Friedhof wieder zu bestatten. "Für mich es immer wieder faszinierend, wie über Grab-Beigaben die Personen hinter den Funden sichtbar werden", erzählt Damminger. So werde die abstrakte Vergangenheit wieder fassbar. "Schließlich geht es um die Menschen und darum, herauszufinden, wie sie gelebt haben". Sie hätten Gräber gesehen, in denen händchenhaltende Paare oder Frauen mit Kindern im Arm bestatten worden waren. Nach der Winterpause werden Damminger und sein Team weiter in den Tiefen der Pforzheimer Geschichte graben.