Wenn Günter Bach seine Rentenbescheide durchblättert, fürchtet er sich vor einem Lebensabend ohne Ersparnisse. Foto: Schwarzwälder-Bote

Angst vor dem Alter und Armut / Arbeitnehmer werden von Krankheiten in Frührente gezwungen

Pforzheim. Günter Bach geht es gut. Sein Herz macht im Moment keine Probleme mehr. Im Wohnzimmer in seiner Mietwohnung in der Innenstadt steht ein Flachbildschirm, ein Laptop daneben. Denn der 55-Jährige hat zwar Geld. Doch er hat auch Angst. Angst vor dem Abstieg.

Er selbst würde das zwar nicht mit dem Wort "Angst" beschreiben. Doch nach fast 40 Arbeitsjahren sagt er: "Das geht ganz schnell und man ist unter der Brücke." Mit dieser Furcht steht er beispielhaft für viele Deutsche. Als die R+V Versicherung 2400 Männer und Frauen befragte, wovor sie am meisten Angst haben, nannten die meisten (61 Prozent) steigende Lebenshaltungskosten. 55 Prozent fürchten, zum Pflegefall zu werden, 40 Prozent zittern vor einem sinkenden Lebensstandard.

Mit 15 Jahren begann Bach eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, arbeitete in mehreren Berufen – bis ihn 2009 ein Herzinfarkt stoppte. Es folgten elf Monate Pause, danach drei Jahre Arbeit, sein Körper streikte. "Irgendwann können Sie nicht mehr so arbeiten wie Sie wollen", sagt Bach.

Inzwischen ist er arbeitslos. "Egal ob Rente, Arbeitslosen- oder Krankengeld. Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was man eingezahlt hat. Und Ausgaben steigen viel schneller." So ist die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente unter das steuerliche Existenzminimum – das entspricht dem Grundfreibetrag (8354 Euro) – gesunken.

Doch Bach räumt ein, dass er und seine krankgeschriebene Frau Oxana Kerber durch sein Arbeitslosengeld und ihr Krankengeld besser dastehen: 1100 Euro monatlich hätten sie gemeinsam zur Verfügung. "Wir sind gut ausgestattet..." Da wirft seine Frau ein: "...aber was ist, wenn die Waschmaschine kaputt geht? Wir würden keine neue mehr kriegen." Das Paar fürchtet sich vor der Zukunft. "Dabei will man im Alter am Leben teilhaben. Mal ein Eis essen gehen, ein Bier trinken."

Es sind konkrete, oft banale Wünsche, über die er spricht. Weniger konkret wird der Pforzheimer bei der Frage, was sich ändern müsse, um ihm seine Sorgen zu nehmen. "Ich würde mir wünschen, dass es mehr Informationen gibt. Etwa darüber, wo man Hilfe bekommt." Zudem fehle in der Gesellschaft das Verständnis für ältere Leute. "Statt, dass er mehr unterstützt – Jobagentur mehr motivierte, besser geschulte Mitarbeiter. Aber klar: Im Endeffekt geht es ums Geld", sagt Bach. "Man muss die Leute schützen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben", pflichtet Kerber ihrem Mann bei. "Ich kenne einige, die kamen erst spät nach Deutschland, haben kaum gearbeitet – und bekommen fast das Gleiche."

Das ist die zweite Angst, die mit der Angst vor der Altersarmut einhergeht: die Angst, dass andere mehr kriegen. Neid und die Angst vor sozialem Abstieg hat zur Folge, dass "die Mitte nach rechts rückt", wie Oliver Decker, Mitautor einer Studie, zu rechtsextremen Tendenzen, beschreibt. "Ich kenne viele, die unzufrieden sind", sagt Bach. "Und inzwischen befürchte ich, dass das bei manchen in Gewalt ausarten könnte."