Die Waiblinger Kreisklinik ist nur noch bis zum Herbst in Betrieb. Foto: Rems-Murr-Kliniken

Nach dem Tod einer 85-Jährigen im Waiblinger Krankenhaus fordert Landrat Johannes Fuchs genaue Untersuchungen.

Waiblingen - Umfassende Aufklärung, sorgfältige Analyse, verstärktes Qualitätsmanagement – all das verspricht Landrat Johannes Fuchs nach den Vorwürfen dreier Geschwister aus Schwaikheim, wonach ihre wegen akuter Verstopfung eingelieferte 85-jährige Mutter in der Waiblinger Kreisklinik total vernachlässigt wurde und dann an einem geplatzten Darm gestorben ist. „Uns macht der tragische Tod der Patientin außerordentlich betroffen“, erläuterte Fuchs am Donnerstag, „und wir gedenken alles zu unternehmen, um zukünftig Ähnliches zu verhindern.“

Der Kreischef, zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rems-Murr-Kliniken, und Krankenhausdirekttor Jürgen Winter betonten ihr „persönliches Anliegen, der Familie unser Beileid zum Ausdruck zu bringen“. In ihrer per Mail eingegangenen Beschwerde habe Iris Steichele, die Tochter der verstorbenen Anni Billner, „indirekt den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung erhoben“. Umgehend habe man den Verlauf der stationären Behandlung rekonstruiert, die Krankenakten wurden inspiziert, die behandelnden Ärzte und Pflegekräfte mussten detaillierte Gedächtnisprotokolle erstellen.

Weil trotz dieser internen Prüfungen „eine ganze Reihe von wichtigen Fragen offen geblieben sind“, so Fuchs, habe man sich „erstmals in der Geschichte der Rems-Murr-Kliniken“ zur Selbstanzeige entschlossen. Die Staatsanwaltschaft habe ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Das nun zu erwartende medizinische Gutachten dürfte aber erst in einigen Wochen vorliegen.

„Wir kommen mit unserem Gesundheitssystem an Grenzen“

Personelle Konsequenzen wurden auf der Abteilung bisher nicht gezogen. „Wir haben keinen Anlass, etwas zu beschönigen“, sagt der Landrat. Allerdings gebe es im Moment in der öffentlichen Darstellung lediglich die Sicht von Frau Steichele. „Im Moment werden wir sicher nicht sagen: Es war ganz anders“, erläutert Winter, das werde gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft übernehmen. „Sorgfalt vor Schnelligkeit“, erklärt Fuchs – und wenn dann was auf den Tisch komme, „werden wir die Reißleine ziehen“.

Dass derartige Schlagzeilen den Rems-Murr-Kliniken ein erhebliches Imageproblem bescheren könnten, räumt Fuchs indirekt ein. Ziel müsse sein, „dass das möglicherweise aufs Spiel gesetzte Vertrauen wieder in vollem Umfang hergestellt wird“. Dass dies nicht einfach sein dürfte, ist an vielen Diskussionsbeiträgen in Internetforen oder in Leserbriefen der Lokalzeitung erkennbar. So erklärt Bruno Hecht aus Schwaikheim: „Es ist überfällig, dieses Krankenhaus zu schließen, und man kann nur hoffen, dass dieses Personal im neuen Winnender Krankenhaus an die Leine von Verantwortlichen mit Kompetenz gelegt wird.“ Andere warnen jedoch vor Pauschalverurteilungen. „Meiner Meinung nach sollte man sich schämen, wenn man so leichtfertig Hunderte hart arbeitende Menschen anonym im Internet als inkompetent verunglimpft“, heißt es in einem Beitrag.

Den häufig geäußerten Verdacht, gerade bei älteren Patienten agiere das Personal mit geringerem Engagement oder komme mit der pflegeintensiveren Tätigkeit nicht zurecht, will Winter nicht bestätigen.Schließlich liege der Durchschnitt der Patienten ohnehin bei über 60 Jahren, großteils auch 70 oder 80. Er verweist eher auf die allgemein schwierige Lage. „Wir kommen mit unserem Gesundheitssystem an Grenzen.“ Oft müssten Ärzte überlegen, ob sie noch einen vierten Patienten in ein Drei-Bett-Zimmer schieben könnten. Und dass ein Patient, wie jetzt vorgeworfen wurde, drei Stunden im Flur bis zur Behandlung liegen musste, komme vor. Doch das geschehe ja nicht aus Schlamperei, sondern weil in den Zimmern andere Patienten versorgt werden müssten. Doch was in diesen Räumen passiere, das sehe der Patient eben nicht. Winters Fazit: Die heile Welt der Krankenhausserien im Fernsehen „hat mit der Realität nichts zu tun“.