Beim VfB Stuttgart war er Profi, bei Bayern München Trainer. Vor dem Südderby an diesem Sonntag (17.30 Uhr/Sky und Liga total) bewertet Ottmar Hitzfeld (63) seine beiden Ex-Clubs.
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Der schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld über die Arbeit von Labbadia und Bobic, den FC Bayern München und 40 Millionen Euro.

Beim VfB Stuttgart war er Profi, bei Bayern München Trainer. Vor dem Südderby an diesem Sonntag (17.30 Uhr/Sky und Liga total) bewertet Ottmar Hitzfeld (63) seine beiden Ex-Clubs.

Herr Hitzfeld, der FC Bayern empfängt den VfB, das Duell Ihrer früheren Vereine. Zu den Bayern haben Sie noch Kontakte, zum VfB auch?
Ja, zu Hansi Müller. Wir telefonieren immer wieder. Jürgen Sundermann, dem Trainer von damals, schicke ich ab und zu eine SMS.

Wie nehmen Sie den VfB aus der Ferne wahr, wofür steht der Verein?
Das neue Stadion ist ganz wichtig – für die Infrastruktur, den Zuschauerschnitt und die Atmosphäre. Trainer Bruno Labbadia und Sportdirektor Fredi Bobic machen einen guten Job. Man hat ja nicht so viel Geld zur Verfügung, dass man groß investieren kann. Deshalb hat sich der VfB jetzt wieder mehr in der Breite verstärkt. Sportlich hat der Verein in der vergangenen Rückrunde sehr gute Spiele gezeigt, die Mannschaft hat sich gefunden. Von daher hat der VfB gute Voraussetzungen für die neue Saison. Hinzu kommt, dass der VfB nun in der Gruppenphase der Europa League spielt. Das gibt Rückenwind für die erste Saisonphase.

Bruno Labbadia war zu der Zeit, als Sie Borussia Dortmund trainierten, Stürmer beim FC Bayern. Kennen Sie ihn näher?
Man sieht sich bei Veranstaltungen, und wir hatten Kontakt gehabt, als er Bayer Leverkusen trainierte, weil dort einige Schweizer Nationalspieler waren. Ich kann nur sagen: Labbadia ist ein sehr engagierter, leidenschaftlicher Trainer.

Der VfB war in den vergangenen Jahren von allen Bundesliga-Vereinen mit am häufigsten international vertreten. Zum großen Wurf, zur deutschen Meisterschaft, hat es aber nur einmal gereicht.
Um ganz oben zu spielen, benötigt man noch mehr individuelle Klasse im Kader. Dafür müsste der VfB kräftig investieren, aber die finanziellen Mittel hat man nicht. Labbadia würde sicher gern 20, 30 Millionen ausgeben, um mehr Substanz in die Mannschaft zu bringen, um Spieler zu haben, die vielleicht den Unterschied ausmachen.

„Stuttgart macht schon eine profitliche Arbeit“

Stattdessen verkauft der VfB immer wieder Talente wie Mario Gomez, Sami Khedira, Alexander Hleb oder früher Giovane Elber. Zugleich verstärkt er seine traditionell gute Jugendarbeit. Ist das ein gangbarer Weg, um nach oben zu kommen?
Der VfB geht einen sinnvollen Weg, weil er nicht Sponsorenmittel in großen Dimensionen hat wie andere Vereine. Da ist es wichtig, dass man auf die eigene Jugend setzt und ein gutes Jugendzentrum hat, in dem man eigene Spieler entwickelt, sowie ein gutes Scoutingsystem, um Talente zu entdecken, die man fördern kann. Von daher macht Stuttgart schon eine profitliche Arbeit.

Einer der Abgänge beim VfB war einst auch Matthias Sammer. Hat es Sie überrascht, dass er jetzt zum FC Bayern gegangen ist?
Nein, damit hatte ich schon gerechnet. Bei Bayern findet irgendwann ein Generationswechsel statt, insofern baut man neue Leute auf. Matthias Sammer hat großartige Arbeit beim DFB geleistet. Und er ist einer, der auch mal den Finger in die Wunde legt, Reibung erzeugt, um ein paar Prozentpunkte rauszuholen. Er trägt die absolute Gier nach Titeln in sich und einen unbändigen Willen. Insofern passt er zum FC Bayern.

Dabei hat der FC Bayern mit Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer doch schon drei Alphatiere.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die großen Persönlichkeiten bei Bayern, die selbst Fußball gespielt haben, zusammenhalten, dass sie intern Kritik äußern, sich aber nach außen hin gegenseitig schützen.

Der FC Bayern muss nach zwei Jahren ohne Titel diesmal unbedingt Meister werden. Stimmen die Voraussetzungen?
Die Bayern sind aufgrund ihres Etats und ihrer Verstärkungen für mich klarer Titelfavorit. Im Angriffsbereich haben sie Alternativen zu Mario Gomez geschaffen. Mario Mandzukic war überragend bei der EM, Claudio Pizarro ist ein alter Fuchs, Xherdan Shaqiri wird die Mannschaft durch seine Ausstrahlung, seine Leidenschaft und sein Können beleben, und Dante ist auch eine adäquate Alternative in der Innenverteidigung.

„Wer Spieler bei Bayern ist, muss mit Kritik leben“

Was, wenn es trotzdem nicht läuft?
Bei Bayern gehört Unruhe dazu. Sie ist auch leistungsfördernd, weil dann auch die Spieler wieder aufmerksamer agieren.

Was würde ein dritter Titel in Folge für Borussia Dortmund bedeuten?
Das haben noch nicht viele Mannschaften in der Bundesliga geschafft. Das wäre wieder eine Sensation.

Mario Gomez musste herbe Kritik von Uli Hoeneß einstecken. Verkraftet er das?
Wer Spieler bei Bayern ist, muss mit Kritik leben. Wenn der Präsident etwas sagt, muss man das akzeptieren. Und es ist legitim, dass er etwas sagt.

Der spanische Neuzugang Javi Martinez kostete 40 Millionen Euro Ablöse, das ist Bundesliga-Rekord. Schrecken Sie solche Summen?
Das wird immer weitergehen. Durch das Fernsehen, Sponsoring und Marketing ist der Fußball ein Millionengeschäft geworden. Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Der FC Bayern bezahlt die Ablöse aus erwirtschaftetem Geld, da steht ja kein Scheich dahinter. Es ist bewundernswert, wenn man solche Transfers mit eigenem Geld stemmen kann.

Sind die 40 Millionen Euro für Martinez aus sportlicher Sicht gerechtfertigt?
Der FC Bayern hat sich ja was dabei gedacht, wenn er so viel Geld ausgibt. Vielleicht macht Martinez die zwei, drei Prozent aus, um die Champions League zu gewinnen. Aber jeder Transfer birgt auch ein gewisses Risiko – je höher die Ablöse, desto höher das Risiko. Das kann auch belastend sein.

Matthias Sammer schaut bei jedem Training zu, er wirkt wie ein Aufpasser für Trainer Jupp Heynckes.
Heynckes wurde ja gefragt, ob er mit Sammer arbeiten will, es ist auch sein Wunsch. Die Zusammenarbeit kann fruchtbar sein, wenn beide sich menschlich gut verstehen. Sammer ist kommunikativ wie auch Heynckes. Also werden sie sich aussprechen über das Training, das kann befruchtend sein für die Arbeit des Trainers.

Heynckes’ Vertrag endet 2013. Die Frage, wer ihn ablöst, wird die Bayern verfolgen. Stört das während einer Saison?
Es ist zumindest eine schwierige Situation, weil Druck von außen entsteht. Wahrscheinlich werden die Bayern sagen, dass sie in der Rückrunde entscheiden. Dann haben sie wenigstens mal ein halbes Jahr Ruhe.

Auch der Vertrag von Bruno Labbadia beim VfB endet nach dieser Saison.
Als Außenstehender habe ich den Eindruck, dass nichts gegen eine Verlängerung der Zusammenarbeit spricht. Wie sagt man aber so schön: Das ist nicht meine Baustelle. Das ist die Angelegenheit von Fredi Bobic.