Sie haben die Wirren des Krieges erlebt: Helga und Hans Ehrenfeld blicken auf ein bewegtes Leben zurück. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs lassen das Ehepaar Ehrenfeld nicht los / Seit 60 Jahren glücklich verheiratet

Von Bettina Bausch

Ostelsheim. Wenn das Ostelsheimer Ehepaar Hans und Helga Ehrenfeld derzeit morgens die Zeitung aufschlägt und von den grauenhaften Kriegsereignissen im Nahen Osten liest, werden bei ihnen Kriegserinnerungen lebendig. Sie haben beide den Wahnsinn der Nazizeit überlebt und wissen nur zu gut, welch schreckliche Gräueltaten im Krieg passieren können.

Für den 82-jährigen Hans Ehrenfeld aus Ostelsheim war der 28. September 1944 zunächst ein Tag wie jeder andere. Der damals Zwölfjährige war mit seinem Freund in der Umgebung der Gäu-Gemeinde unterwegs. Sie beobachteten vom Wasserreservoir aus das Geschehen. "Dort konnte man sich gut verstecken und wir hatten von hier aus einen tollen Blick auf den Ort", erinnert er sich.

Es bereitete den beiden Jungen zunächst Spaß zu sehen, wie die Jagdflugzeuge der Alliierten im Steilflug nach unten schossen, elegante Schleifen drehten und dabei "interessante Geräusche" produzierten. Doch dann geschah am frühen Abend des 28. September 1944 etwas ganz furchtbares. Ein Personenzug kam abends aus Stuttgart und fuhr in Richtung Calw. Er war voll besetzt mit Menschen, die zumeist bei Bosch in Stuttgart arbeiteten und auf dem Heimweg waren. In der Nähe des Hackbergtunnels wurde der Zug dann von feindlichen Flugzeugen beschossen. Die Lokomotive fiel aus. Die Menschen flüchteten. Viele wurden von den Bordwaffen der Flieger getroffen. Dabei seien Explosivgeschosse verwendet worden, die die Leiber völlig aufrissen, erinnert sich Ehrenfeld.

"Meine Tante Hilde war damals Sanitäterin und eilte sofort zu dem Zug. Sie kam später weinend zu meiner Mutter und erzählte, dass das Blut in den Waggons zentimeter- hoch stand", berichtete der vitale Senior. Allein fünf Ostelsheimer waren damals unter den Toten. Ehrenfeld kann sogar noch deren Namen aufzählen. Auch Althengstetter und Calwer Bürger seien bei dem Angriff ums Leben gekommen.

Dann erzählt der betagte Rentner davon, wie im Februar 1945 die Stadt Pforzheim brannte und der Feuersturm so mächtig war, dass man in der 800 Einwohner zählenden Gemeinde Ostelsheim dachte, der Nachbarort Simmozheim brenne lichterloh.

Auch der Tag des Einmarsches der Franzosen am 20. April 1945 mit Panzern ist Ehrenfeld noch in Erinnerung. Am gleichen Tag seien auch Stammheim und Deckenpfronn wegen des Widerstands deutscher zersprengter Einheiten beschossen und weitgehend zerstört worden.

Auch die 79-jährige Helga Ehrenfeld hat schlimme Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Aus der Gegend von Danzig musste sie unter dramatischen Umständen nach Westen fliehen. Die junge Helga sah brennende Städte, überlebte den Bombenhagel und eine gefährliche Schiffsreise über die Ostsee. Nach Zwischenstation in einem Auffanglager kam das junge Mädchen mit ihrer Familie nach Ostelsheim, das ihre neue Heimat wurde.

"An der Molke haben wir uns dann kennengelernt. Sie war so anmutig und wunderschön", schwärmt ihr Mann noch heute.

Vor 60 Jahren haben die beiden geheiratet und feierten vor einigen Wochen ihre diamantene Hochzeit. Sie haben vier Kinder groß gezogen und sind bis heute ein glückliches Paar. "Meine Kinder und die zwölf Enkel wollten unbedingt, dass ich die Erlebnisse meiner Kindheit und Flucht aufschreibe", erzählt Helga Ehrenfeld. So entstand das beeindruckende Buch "Flucht in eine zweite Heimat" das schon zahlreiche Menschen der Region mit Interesse gelesen haben.

Mit großer Dankbarkeit blickt das Paar zurück auf ein erfülltes Leben. Zu ihren Gemeinsamkeiten gehört auch die Ablehnung von Krieg und Waffengewalt. "Den Menschen, die jetzt vor den derzeitigen schrecklichen Kriegen fliehen, muss geholfen werden. Wir müssen sie aufnehmen und ihnen beistehen", meint Hans Ehrenfeld.

Im nächsten Jahr sind es 70 Jahre seit der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Und doch kann das Ehepaar ihn nicht vergessen. Auf dem Tisch des Wohnzimmers steht ein überzeugender Beweis dafür. Der Titel des Buches, das Ehrenfeld derzeit liest, lautet: "Die vergessene Generation – Kriegskinder brechen ihr Schweigen".