Manuel Gil glaubt daran, vollkommen gesund zu werden. Das Liegedreirad soll ein Schritt nach vorne sein. Foto: Cools

"Niemals aufgeben", lautet Devise von Manuel Gil. Gelähmter muss zähen Kampf gegen Bürokratie führen.

Oberndorf/Sulz - Der 27. Oktober bleibt für immer in Erinnerung – ein Schlaganfall riss Manuel Gil vor vier Jahren vom einen auf den anderen Tag aus seinem alten Leben. Und auch wenn andere Leute ihn schon aufgegeben haben, wird er die Hoffnung auf vollkommene Genesung nie verlieren

Wenn man durch die Wohnungstür von Manuel Gil tritt, schallt einem Iron Maidens "Fear of the dark" entgegen. Der 44-jährige Metal-Fan muss sich vor nichts mehr fürchten. Das Schlimmste ist ihm bereits widerfahren. Früher war er Fußballer, Abwehrspieler, joggte, fuhr Mountainbike, wann immer es sein Job als Industriemechaniker zuließ. Wenn er nach Hause kam, spielte er Gitarre. Doch das war in einem anderen Leben.

Verdacht: Herzinfarkt

"Never too old to rock" ("Nie zu alt zum Rocken") steht auf seinem Shirt. Die Haare trägt er lang – so wie früher. Dabei ist heute alles anders. Sein neues Leben, um das er nie gebeten hatte, begann am 27. Oktober 2013. Gil war wegen einer Erkältung krank geschrieben. Als er morgens abhustete, wurde sein Arm schlagartig taub. "Ich habe die Kontrolle immer mehr verloren", erinnert er sich, als sei es erst gestern gewesen.

Der Oberndorfer schaffte den Griff zum Telefon und alarmierte einen Freund, der ihn sofort ins Krankenhaus fuhr. "Es war wie ein Alptraum", beschreibt Gil seine Gedanken. Er dachte, er hätte einen Herzinfarkt erlitten, hatte einst von Schmerzen im Arm gelesen.

Dann der nächste Schock: In der Notaufnahme starren ihn die anderen Patienten nur an, die Rezeptionistin reagiert genervt, meint, der Freund solle ihn ins obere Stockwerk tragen. "Keiner hat mir geholfen", meint Gil. Dabei komme es bei einem Schlaganfall, der später festgestellt wurde, auf jede Minute an. Ein Arzt vor Ort meinte, dafür sei er nicht zuständig.

Schließlich brachte man Gil nach Rottweil in die Neurologie und von dort aus mit dem Hubschrauber nach Villingen-Schwenningen. "Da ist so viel wertvolle Zeit kaputt gegangen", bedauert Gil. Dabei hätte eine Computertomographie-Aufnahme das Rätsel schnell gelöst, weiß er.

Eine missgebildete Ader im Gehirn sei aufgrund des Hustens geplatzt. Vermutlich hatte er diese schon bei seiner Geburt, so lautete die Diagnose. Gil wurde notoperiert. Als er wieder zu sich kam, war er nicht mehr er selbst – die komplette linke Körperhälfte geschädigt, Vollglatze und eine riesige Narbe am Schädel, von einem Ohr zum anderen. Das einzige Glück: Keine kognitiven Schäden.

Der erste Schock

Es war nicht der erste Rückschlag dieser Art. Als Gil 29 Jahre alt war, wurde bei im Multiple Sklerose, eine chronische Nervenkrankheit, diagnostiziert. Damals dachte er sich: "Jetzt erst recht" und kaufte ein teures Mountainbike. Diesmal war es ein wenig komplizierter. Da er die linke Hand auch heute noch nicht bewegen kann, ist es vorbei mit dem Gitarrespielen. "Wenn sich das nicht bessert, werde ich immer ein Pflegefall bleiben", weiß er.

Nach der Operation kam seine Familie aus Spanien angeflogen. Dorthin sind sie einst ausgewandert, während Gil in seiner Heimat Aistaig blieb. Mittlerweile lebt er im Betreuten Wohnen "Neckarwiesen" in Sulz. Täglich kommt jemand, um den Haushalt zu machen und ihm beim Anziehen zu helfen.

"Der Sport fehlt mir am meisten", meint der ehemalige aktive Fußballer. Deshalb habe er sich ein Liegedreirad für 6600 Euro bestellt. Gil will nach draußen, an die Luft, will den Körper wieder fordern wie früher. Doch von der Krankenkasse hat er keine Unterstützung zu erwarten, wurde ihm klargemacht. Stattdessen muss er, der von einem zum anderen Tag Rentner wurde und die Arbeit schmerzlich vermisst, die Investition allein stemmen. "Ich verstehe das nicht. Ich versuche, mich gegen mein Schicksal zu wehren", meint er. Auf der anderen Seite habe man ihm einen E-Rollstuhl im Wert von rund 30 000 Euro angeboten. Gil versteht nicht, wie das zusammenpasst.

Doch es ist nicht die erste Komplikation mit der Krankenkasse. Zwei Jahre lang hatte er den falschen Rollstuhl. Erst im Pflegeheim wurde das festgestellt. Nun hat er einen speziellen für Einarmige, bei dem er beide Räder auf einer Seite bedienen kann.

Die Zeit im Pflegeheim war keine gute. "Das ist wie ein Knast. Raus kommt man dort nur in der Kiste. Es war die Hölle", beschreibt er die Hoffnungslosigkeit des Heims. Der Umzug ins Betreute Wohnen in Sulz sei ein Quantensprung gewesen. Dennoch gibt es in der Stadt Verbesserungsbedarf. "Ein Behindertenbeauftragter fehlt einfach. Gesunde Menschen sehen die Stadt einfach mit anderen Augen", weiß er. Schließlich kennt er beide Seiten.

Gil bleibt ein Kämpfer

Gil werden immer wieder Steine in den Weg gelegt. Anträge auf Reha werden abgewiesen. "Ich habe eine Ergoklinik in Waldshut gefunden, die hilft, den Arm wieder zu bewegen", erzählt Gil voller Hoffnung. Doch eine Anfrage auf finanzielle Unterstützung der Kasse sei abgewiesen worden. "Keiner scheint daran zu glauben, dass ich es schaffen kann", spürt er. Dazu kommt das furchtbare Gefühl, von einer Institution zur nächsten geschoben zu werden und jedem nur auf der Tasche zu liegen. Doch Gil ist ein Kämpfer: "Ich habe noch lange nicht aufgegeben, auch wenn es einem wirklich schwer gemacht wird".