Foto: Schwarzwälder-Bote

Tobende Trainer am Spielfeldrand; Pfarrer, denen schon mal ein Schimpfwort entweicht;

Tobende Trainer am Spielfeldrand; Pfarrer, denen schon mal ein Schimpfwort entweicht; Promis, die in Interviews verbal austicken und nun auch noch ein Stadtrat, der das ganze Rathaus zusammenpfeift. Geschätzte 115 Dezibel. Mindestens. Oder so. Da kann keine Hunde- oder Trillerpfeife mithalten.

Diesen tinnitusverdächtigen Ton brachte am Dienstag bei der Gemeinderatssitzung Hans-Joachim Schmid hervor. Stadtrat Schmid von den Freien Wählern? Der ruhige, bedächtige, lebenskluge Chefarzt in Rente, den man meist mit den Händen in den Hosentaschen und einem Lächeln im Gesicht antrifft? Genau der. Er spitzte die Lippen aber nicht, um seinen weiblichen Fraktionskolleginnen hinterher zu pfeifen. Auch nicht, weil er die Stimmung – wie auf einem Rockkonzert – anheizen wollte.

Er pfiff, als sich der ehemalige Leiter des Stadtbauamts, Hans-Joachim Thiemann, aus der Zuhörerreihe nach vorne Richtung Bürgermeister Hermann Acker aufmachte. Thiemann hatte sich sechs Fragen für die Bürgerfragestunde zurecht gelegt, durfte aber nur zwei stellen. Dies sieht die Geschäftsordnung des Gemeinderats so vor. Die übrigen seiner Fragen wollte Thiemann deshalb dem Stadtoberhaupt schriftlich in die Hand drücken.

Thiemann schreitet also an der Reihe der Freien Wähler vorbei. Als er die Tisch-Kurve der CDU-Fraktion erreicht, richtet sich Schmid in seinem Stuhl auf, rollt seine Zungenspitze nach hinten und pfeift was das Zeug hält. Es ist ein Befreiungspfiff. Ein Pfiff, der schon längst überfällig ist. Ein Ur-Pfiff. Ein Pfiff wie ein Pfeil. Ein Pfiff, der in Mark und Bein geht. Ein Pfiff gegen die "Belagerung durch Hans-Joachim Thiemann". So wird es Schmid später formulieren. "Wir haben sein ständiges Auftreten in der Öffentlichkeit satt. Es geht uns auf den Wecker", sagt Schmid. Mit "wir" meine er den kompletten Gemeinderat. "Wir finden einfach keinen Weg, es zu verhindern." So gesehen war’s wohl eher ein Hilfe-Schrei, ein regelrechter Hilfe-Pfiff.

Dazu muss man wissen, dass Thiemann seit seiner fristlosen Kündigung im vergangenen Jahr zu fast jeder Sitzung des Gemeinderats und der Ausschüsse erscheint, an Vor-Ort-Terminen teilnimmt und die Stadträte immer wieder – meist schriftlich – über sein laufendes Verfahren (im Juli geht’s vorm Arbeitsgericht in Villingen-Schwenningen weiter) auf dem Laufenden hält. Oder einfach seine Meinung zu städtebaulichen Problemen kundtut. Oder Stadträte auf sein Grundstück einlädt, um über eine Zaunanlage zu informieren, die er auf Anweisung der Stadt zurückbauen soll. Thiemann will nicht vergessen werden. Auch wenn sein Nachfolger bereits am 1. April die Arbeit aufgenommen hat. Oberndorf ist für Thiemann Gegenwart, für Oberndorf ist Thiemann längst Vergangenheit.

"Der Pfiff zeigt mir, welche Missachtung ich derzeit erfahre. Man nimmt es mir schon übel, dass ich eine Frage an die Verwaltung öffentlich stelle", kommentiert der Ausgepfiffene. Es sei "eine große Respektlosigkeit eines einzelnen Mitglieds, werfe aber ein ganz schlechtes Licht auf den gesamten Gemeinderat".

Auf den guten Ton wird im Falle Thiemann mittlerweile gepfiffen. Das zeigte der Dienstagabend. Das bleibt im Ohr. Der Schmid’sche Tinnitus lässt nach.