Cornelia Manntz sitzt auf einem der Gymnastikbälle in der Oberndorfer Hebammenpraxis, in der sie jahrelang Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse angeboten hat. Ihre Kollegin Barbara Häring führt die Praxis nun alleine weiter. Foto: Bienger Foto: Schwarzwälder-Bote

Porträt: Letzte Beleghebamme im Raum Oberndorf geht in Ruhestand / Rund 5000 Geburten beigewohnt

Von Alicja Bienger

42 Jahre lang war Cornelia Manntz für ihre schwangeren Patientinnen im Einsatz. Zuletzt war sie die einzige Beleghebamme im Landkreis Rottweil. Jetzt, mit 63, setzt sie sich zur Ruhe.

Oberndorf. Wie vielen Kindern Cornelia Manntz im Laufe ihrer Tätigkeit als Hebamme insgesamt schon zur Welt verholfen hat? "Um die 5000", sagt sie, fügt dann aber hinzu: "Ich habe schon geahnt, dass Sie mich das fragen werden. In den vergangenen 24 Jahren, seit ich im Raum Oberndorf gearbeitet habe, waren es genau 2496."

Knapp 5000 Geburten in 42 Jahren – so lange praktiziert Manntz schon –, das sind 5000 kleine Wunder, 5000 individuelle Schicksale, 5000 Mal Schweiß, aber vor allem: 5000 Mal Glück.

In den vergangenen 24 Jahren hat die 63-jährige Wahl-Oberndorferin, die ursprünglich aus Thüringen stammt, als freiberufliche Beleghebamme im Oberndorfer, Schramberger und Freudenstädter Krankenhaus gearbeitet. Beleghebamme, das bedeutet 24 Stunden Rufbereitschaft, sieben Tage die Woche. Um ihren Patientinnen eine bestmögliche Vor- und Nachbetreuung sowie eine Geburtsbegleitung durch eine vertraute Person zu ermöglichen, kannte Cornelia Manntz jahrelang kein Wochenende und keinen Feierabend. "Es kam schon mal vor, dass ich zwei Tage lang keinen Schlaf bekam", erinnert sie sich. "Da versucht man eben, zwischendurch zur Ruhe zu kommen." Sie habe gleich zu Beginn gewusst: "Ohne Idealismus läuft in diesem Beruf gar nichts."

Idealismus: Heute brauchen Frauen, die Hebamme werden wollen, mehr als nur eine ordentliche Portion davon. Obwohl die Risiken einer Geburt statistisch gesehen noch nie so niedrig waren wie heute, steigen die Beiträge zur Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen seit Jahren kontinuierlich an. Rund 7000 Euro jährlich sind es inzwischen; das sind umgerechnet etwa 30 Geburten. Die Entlohnung ist niedrig, die Belastung hoch.

In den vergangenen sieben Jahren verzeichnete der Deutsche Hebammenverband einen Bewerberrückgang von 50 Prozent. Noch geringer ist der Anteil derjenigen, die wie Manntz Beleghebamme werden möchten. Nicht wenige ausgebildete Geburtshelferinnen betreiben inzwischen überhaupt keine aktive Geburtshilfe mehr. Aufgrund der hohen finanziellen Belastungen haben sie sich auf die Vor- und Nachsorge beschränkt.

Am vergangenen Donnerstag, dem internationalen Hebammentag, haben Hebammen deshalb weltweit erneut auf die Missstände aufmerksam gemacht. Trotzdem: Cornelia Manntz wollte schon immer Hebamme werden, "von klein auf", wie sie sagt. Sie selbst hat drei Kinder, die inzwischen erwachsen sind, und einen Ehemann, der sie die ganze Zeit über unterstützt hat. "Er ist zuhause geblieben, hat sich um die Kinder gekümmert und mir den Rücken freigehalten", sagt Manntz und fügt schmunzelnd hinzu: "Damals war das geradezu unerhört revolutionär."

Überhaupt, vieles habe sich geändert in den 42 Jahren, seit sie praktiziert. Der "Hype" um die eigenen Kinder und damit ums Kinderkriegen habe zugenommen, weil viele Zwänge weggefallen seien. "Früher, als man noch mehr Kinder bekommen hat als heute, hat sich niemand solche Gedanken gemacht. Heute muss alles perfekt laufen, schnell und ohne Schmerzen." Doch eine Geburt laufe nun mal nur selten nach Plan: "Vor allem beim ersten Kind kann eine Geburt ausnahmsweise auch mal 24 Stunden dauern."

Dass sich inzwischen viele Frauen freiwillig für einen Kaiserschnitt entscheiden, sei es wegen der Planbarkeit oder auch aus Angst vor den Geburtsschmerzen, kann sie nicht nachvollziehen: "Ich sage dann immer, sie sollen da mit gutem Willen herangehen. Man sollte keine Angst vor etwas haben, was man noch gar nicht kennt."

In 99 Prozent aller Fälle sind die Väter dabei

In ihren Geburtsvorbereitungskursen konnte Manntz ihren Patientinnen durch umfassende Aufklärung viel von ihren Ängsten nehmen. Verändert haben sich einige Dinge aber auch zum Positiven – etwa, dass inzwischen in 99 Prozent aller Fälle auch die Väter bei der Geburt dabei sind.

Seit zwei Monaten begleitet Cornelia Manntz keine Geburten mehr. Noch bis Juni wird sie die Nachversorgung bei einigen Frauen betreuen, die bei ihr entbunden haben, danach ist endgültig Schluss. Bereut sie ihre Entscheidung? "Klar wird man da ein bisschen wehmütig, man bekommt ja auch immer sehr viel von den Frauen zurück", sagt sie und zeigt auf die Pinnwand, an der unzählige Geburts-Dankeskarten mit lachenden oder schlafenden Babygesichtern hängen. "Aber jetzt habe ich endlich mehr Zeit für private Dinge, und darauf freue ich mich schon."