Nachruf: Günther Wolf im Alter von 90 Jahren gestorben / Kommunalpolitik der Stadt mitgeprägt

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt: Günther Wolf, einst Redakteur beim Schwarzwälder Boten, Stadtrat und Narrenpräsident, ist tot.

Oberndorf. Er starb am Montag im Alter von 90 Jahren. Wie kaum ein anderer hat er die Rathauspolitik und die Fasnet mitgestaltet.

Die Stadt Oberndorf verliere einen hoch angesehenen Bürger, sie "ist ihm für seine bleibenden Verdienste zu überaus großem Dank und höchster Anerkennung verpflichtet", heißt es im Nachruf der Stadt.

Journalist, Kommunalpolitiker und Fasnetsnarr in einer Person zu vereinen – dies ist nur in Oberndorf möglich, der Zeitungsstadt, dem Narrennest. Der gebürtige Oberndorfer, dessen Eltern seinerzeit ein Hutgeschäft in der Hauptstraße betrieben, erreichte 1944 die Hochschulreife und wurde noch im Herbst des gleichen Jahres zu den Waffen gerufen. Nach Kriegsende war er bei einer US-Dienststelle in Washington als Dolmetscher eingesetzt, im Juni 1947 fand er zum Schwarzwälder Boten.

Nach dem Volontariat wurde Günther Wolf als Lokalredakteur tätig, später wechselte er in die Sportredaktion und ins Vermischte. 1971 wurde er Chef der politischen Redaktion, 1979 übernahm er Sonderaufgaben, 1987 wurde er stellvertretender Chefredakteur. Daneben zeichnete er als Kalendermann für den Schwarzwälder Hausschatz verantwortlich. Bei seiner Arbeit machte er sich die Überlegung zu eigen, nicht aus jeder Meldung das Negative herauszulesen, vielmehr ließ er sich von jenem Geist der Zeitungsmacher leiten, der jeden Tag mindestens eine gute Meldung im Blatt sehen möchte.

Wie ein väterlicher Freund trat Wolf auf, wenn er sich in seiner Funktion als Volontärsvater um den redaktionellen Nachwuchs kümmerte. Da er zeitweise auch in der Sportredaktion gearbeitet hatte, gab er gerne "seine" Geschichte des "Wunders von Bern" zum Besten: Der Verlag hatte ihn 1954 zur Fußball-Weltmeisterschaft in die Schweiz entsandt. Mit Freude erzählte Wolf, wie er, noch aufgeregt vom Sieg der deutschen Elf in Berlin, per Telefon seinen eilends zusammengestellten Bericht nach Oberndorf übermittelte, und wie auch er sich begeistern ließ, als die deutschen Kicker per Bahn bei Singen in ihre Heimat zurückkehrten.

Nicht nur seine Arbeit im Dienst des Lesers hat Günther Wolf in seiner Heimatstadt bekannt gemacht; auch sein Engagement für das bürgerliche Gemeinwesen brachte ihm hohes Ansehen ein. 1965 zog er in den Gemeinderat ein, dem er bis 1999 angehörte – 25 Jahre davon als Sprecher der Freien Wähler, die ihn zum Ehrenvorsitzenden ernannten. Hohe Stimmenzahlen bei jeder Wiederwahl waren ein Beweis des Vertrauens der Mitbürger. Die Stadt dankte ihm mit der Verleihung des Ehrenrings. Seine Diskussionsbeiträge im Gemeinderat zeichneten sich durch Sachlichkeit aus, nicht immer frei von Emotionen, aber ohne Polemik. Das Wissen um über den Kirchturm hinaus reichende Zusammenhänge findet am Ratstisch stets seinen Niederschlag. So kam es Wolf ganz gelegen, dass er als Journalist damals – von Internet, Twitter und Co. war noch nicht die Rede – alle Neuigkeiten dieser Welt ein bisschen eher kannte als andere Zeitgenossen.

Und dann der Narr Günther Wolf: 41 Jahre lang gehörte er dem Elferrat an, drei Jahrzehnte als Zunftmeister. "Seiner" Oberndorfer Fasnet widmete er sich mit Hingabe, und so manchen Neubürger hat er so lange einfühlsam herangeführt an das närrische Brimborium, bis er einen Fasnetsfreund mehr gewonnen hatte. Günther Wolf sei "ein Narr mit Herz und im Herz ein Narr", charakterisierte ihn einmal sein Nachfolger Manfred Dierolf. Drei Narrentage organisierte Wolf in seiner Amtszeit: 1966, 1980 und 1985. "Der Tag, der ist so freudenreich", das Standardwerk über die Oberndorfer Fasnet, ist ihm zu verdanken.

Mit zunehmendem Alter zog Günther Wolf sich aus der Öffentlichkeit zurück, wenngleich noch immer am aktuellen Geschehen interessiert. Ein schwerer Schlag war für ihn der Tod seiner Frau Ruth im vergangenen Jahr. Von da an sah man ihn nur noch selten am geliebten Stammtisch auf dem Lindenhof.

Um ihr Familienoberhaupt trauern Tochter Sabine und Sohn Stefan sowie drei Enkel.  Die Trauerfeier findet am Samstag, 22. Oktober, 10 Uhr, in der ehemaligen Klosterkirche statt. Danach wird der Sarg zur Beerdigung zum Friedhof auf den Lindenhof gefahren.