Die Idylle trügt: Wo jetzt noch die drei Birken stehen, könnte schon bald gebaut werden. Foto: Zeger

Boller haben die Nase voll und haben 150 Unterschriften gegen Erweiterung gesammelt. Erweiterung soll zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.

Oberndorf-Boll - Ölablagerungen in Wasserzisternen, Schmutzfilm an den Früchten von Obstbäumen, klebrige Fenster, der Geruch von Schmieröl in der Wohnung: Boller Bürger haben die Nase voll und sammeln 150 Unterschriften gegen die Erweiterung des Gewerbegebiets.

Um eine Erweiterung der Firma Paul Bippus auf den Weg zu bringen, muss der Bebauungsplan im Gebiet "Härle-Sommerhalde" geändert werden. Der Ausschuss für Technik und Umwelt stimmte der Entwurfsfeststellung vergangene Woche mit zwei Enthaltungen (Robert Häring, CDU, und Nico Pfisterer, Freie Wähler) zu. Heute, Donnerstag, kommt das Thema erneut in der Boller Ortschaftsratssitzung auf den Tisch (19 Uhr).

"Wie kann man das Problem der Geruchs- und Lärmbelästigung lösen, damit alle damit leben können?" Dies ist die zentrale Frage, mit der sich die Interessengemeinschaft beschäftigt. "Seit rund einem Jahr ist der Ölgestank noch schlimmer als früher", erzählt eine Anwohnerin. "Je nach Wetterlage zieht über Tage hinweg alle drei Minuten eine Ölwolke zu unserem Haus." Lüften, nachts bei offenem Fenster schlafen oder seinen Kaffee auf der Terrasse trinken sei nicht möglich. "Vonseiten der Stadt- und der Ortsverwaltung hören wir oft, dass man hier zwischen öffentlichem und privatem Interesse abwägen müsse", erzählt eine Betroffene. "Aber sind der Bürgermeister und der Ortsvorsteher nicht dafür da, uns Bürger auch vor gesundheitlichen Nachteilen zu schützen?"

Bürger fühlen sich nicht ernst genommen

Die Bürger, die sich in der Interessengemeinschaft zusammengeschlossen haben, fühlen sich nicht ernst genommen. "Wir stoßen bei der Stadt und bei der Firma Bippus auf verschlossene Türen." Die Betroffenen haben Sorge, dass dies nicht die letzte Erweiterung sein wird. Hinzu kommt noch die Belästigung durch den Schwerlastverkehr. "Durchfahrts- und Geschwindigkeitsbeschränkungen werden von vielen nicht eingehalten, Kontrollen fehlen." Hinzu kommen offene Rolltore, die für zusätzlichen Lärm sorgen, an- und abfahrende Autos – teils mit extrem lauter Musik – für deren Fahrer das Tempo-30-Schild wohl eher ein Vorschlag als eine Begrenzung darstellt.

Im Juni vergangenen Jahres wandten sich die Anwohner an das Gewerbeaufsichtsamt in Rottweil. Sachgebietsleiter Thomas Kammerer bestätigt gegenüber unserer Zeitung, dass zu diesem Fall "mehrere Nachbarschaftsbeschwerden" vorliegen. Es gebe Verbesserungen, die bislang aber nach außen noch nicht spürbar seien, so Kammerer. Weitere Maßnahmen seien geplant, "man ist noch lange nicht am Ende". Da klingt der Werbespruch von Bippus "Das Wesentliche bleibt dem Auge verborgen" schon fast zynisch.

Gegen die geplante Erweiterung haben fünf Bürger im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung schriftlich Stellung bezogen. Diese Stellungnahmen wurden in der Ausschuss-Sitzung vorgetragen. Auch im Internet waren sie bei den Sitzungsvorlagen zu finden. Nicht schlecht gestaunt haben die engagierten Boller Bürger, als sie ihre Stellungnahmen mit vollem Namen und Anschrift im Netz fanden. Aus Datenschutzgründen werden diese sonst anonymisiert. "Wir stehen zu unseren Forderungen, aber für die eh schon schlechte Stimmung ist dies natürlich nicht gerade förderlich." Für die Beteiligten hat der Verstoß gegen das Datenschutzgesetz "ein Gschmäckle". Auf Nachfrage erklärt Harald Ginter vom Bauamt, dass es ein Software-Problem gegeben habe. "Wir haben sofort nach Entdecken reagiert." Zwei Tage lang waren die Daten für jedermann sichtbar.

Der technische Leiter der Firma Bippus, Jörg Grözinger, sagt auf Anfrage, dass mehrere technische Maßnahmen getroffen worden seien. Unter anderem werden die Wartungsintervalle der Absauganlagen verkürzt, eine neue Abluftanlage sei installiert. "Wir haben viel Geld in die Hand genommen." In Kürze wolle man eine Abluftmessung durchführen lassen. Diese könnten aber erst dann stabile Daten liefern, wenn nachts keine Minusgrade mehr herrschten. Sollte die Erweiterung genehmigt werden, rechnet Grözinger mit Baubeginn im Jahr 2016 oder 2017. "Der Anbau reicht dann die nächsten zehn Jahre aus." 250 neue Arbeitsplätze soll die Erweiterung in der Vollausbaustufe bringen. Bislang arbeiten rund 550 Mitarbeiter bei Bippus.

Erweiterung soll 250 Arbeitsplätze schaffen

Wie verfahren die Situation mittlerweile ist, zeigt auch diese Episode: "Unsere Interessengemeinschaft hat den Vorschlag unterbreitet, eine andere Zufahrt zum Gewerbegebiet zu bauen. Die Antwort: Dann muss das Gebiet aber noch weiter vergrößert werden, damit sich diese Straße auch lohnt."