Der Theologe Ignaz Rohr war ein berühmter Sohn Hochmössingens. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Porträt: Am 29. Juni wäre Ignaz Rohr 150 Jahre alt geworden / Gefragter Experte für theologische Fragen

Von Alwin Weber

In Hochmössingen gibt es eine Ignaz-Rohr-Straße. Vielleicht ist nur wenigen bekannt, wer der Mann war, nach dem diese Straße benannt ist.

Oberndorf-Hochmössingen. Am 29. Juni jährt sich der Geburtstag von Ignaz Rohr in Hochmössingen zum 150. Mal.

Nach den ersten vier Schuljahren besuchte er das Rottweiler Gymnasium, das er mit dem Abitur abschloss. In Tübingen studierte Ignaz Rohr anschließend Theologie, Philosophie, Philologie und Kunstgeschichte. Am 17. Juli 1892 wurde er zum Priester geweiht. Mit seiner Dissertation "Eine Prophezeiung ex eventu aus der Zeit der Reformation" promovierte er dort 1899 in Theologie. Wenn auch der "Kulturkampf" 1878 offiziell beendet war, so wurden seine Nachwirkungen noch immer deutlich gespürt.

Nach seiner Priesterweihe, so schreibt Franz Xaver Singer anlässlich des 60. Geburtstags des Theologen in der Nummer 26 der "Heimatblätter vom oberen Neckar" 1926, war Ignaz Rohr als Vikar in Ebingen tätig, dann als Gymnasialrepetent in Ellwangen, als Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen und als Stadtpfarrer in Geislingen an der Steige.

Steil ging sein wissenschaftlicher Weg nach oben: 1903 wurde Ignaz Rohr als Ordinarius, also Lehrstuhlinhaber, für neutestamentliche Exegese an die Universität Breslau berufen. Schon 1906 erreichte ihn die Berufung nach Straßburg.

Beschäftigung mit Kunst und Bibelauslegung

1917 kehrte Professor Rohr, indem er dem dritten Ruf Folge leistete, nach Tübingen zurück, um die Nachfolge von Professor Johannes Belser anzutreten. Belser stammte aus Villingendorf; er war 1850 geboren und hatte den gleichen Werdegang wie Rohr. Er studierte auch an der Universität Tübingen und am Wilhelmsstift. Außerdem lehrte er wie Ignaz Rohr am Gymnasium Ellwangen und war ab 1889 Professor für Exegese an der Universität Tübingen.

1922 wurde Ignaz Rohr zum Rektor des Studienjahres gewählt. Während dieser Zeit, so schreibt Franz Xaver Singer, arbeitete er an diversen Schriften über Geschichte, neutestamentliche Exegese und Kunst. Über die Arbeiten auf dem Gebiet des Neuen Testaments kam er zum großen Gebiet der Geheimen Offenbarung. Aus der Beschäftigung mit den Paulusbriefen erwuchs beispielsweise die Schrift "Paulus und die Gemeinde von Korinth auf Grund der beiden Korintherbriefe". Daneben war es Rohr aber auch sehr wichtig, "die neutestamentliche Forschung in den Dienst des unmittelbaren Lebens zu stellen", so Franz Xaver Singer.

Zusammen mit Johannes Nikel war der Plan gefasst worden, in der Reihe "Biblische Zeitfragen" "gegenüber einer spezifisch bibelkritisch eingestellten Zeit (...) vom katholischen Standpunkt aus die Antwort auf die aktuellsten Fragen der Bibelkritik gemeinverstädlich zu geben", wie die "Augsburger Post-Zeitung" in einem Begrüßungsartikel darlegt. Ignaz Rohr hatte dazu eigene Beiträge geliefert; hier ein Auszug: "Moderne Ersatzversuche für das biblische Christusbild", "Vernichtungskampf gegen das biblische Christusbild", "Das Markusevangelium, Griechentum und Christentum", "Das Gebet im Neuen Testament", "Die soziale Frage im Neuen Testament".

60. Geburtstag wird 1926 groß gefeiert

Neben den theologischem Arbeiten stehen andere aus einem Gebiet, das vielleicht als Liebhaberei Ignaz Rohrs angesehen werden könnte: die Kunstgeschichte. Eine große Monografie über Landolin Ohnmacht, einen 1760 in Dunningen geborenen und 1834 in Straßburg verstorbenen Bildhauer, den man dem Klassizismus zurechnen könnte, erschien 1911. Erstaunlich sind sicher die beiden Bände "Ein Gang durch Londons Galerien" und "Aus Englands Kathedralen", die 1914 und 1915 in "Archiv für christliche Kunst" erschienen sind.

In Hochmössingen wurde der 60. Geburtstag des berühmten Sohnes der Gemeinde 1926 groß gefeiert. Dem Jubilar wurde dabei das Ehrenbürgerrecht verliehen. Zu diesem Anlass ist in den "Heimatblättern vom oberen Neckar" zu lesen: "Doch nicht bloß die gelehrte Welt hat an diesem Tag Anteil genommen. Rohrs Persönlichkeit, sein freundliches, gütiges und stets hilfsbereites Wesen hat sich darüber hinaus eine große Zahl von Freunden, Verehrern und dankbaren Schülern zu schaffen gewusst." Mit dem Wunsch "Ad multos annos" ("Auf viele Jahre") schließt die Hommage an einen Mann, der während seiner Studienzeit in der CV-Verbindung Guestfalia zu Tübingen aktiv war.

1932, im 66. Lebensjahr, emeritierte der Hochschullehrer. Er war seinem Heimatort bis zu seinem Tod im Jahr 1944 immer herzlich verbunden. Ignaz Rohr starb im Oberndofer Krankenhaus.