Gut besucht war der Vortragsabend über den Reformator Martin Luther in der evangelischen Stadtkirche in Oberndorf. Hans-Dieter Frauer (vorne rechts) entführte die Zuhörer in die Zeit vor der Reformation und schilderte deren Auswirkungen auf Alt-Württemberg. Foto: Veranstalter Foto: Schwarzwälder-Bote

Reformation: Hans-Dieter Frauer glänzt in der evangelischen Stadtkirche mit großem Geschichtswissen

In diesem Jahr in aller Munde ist Martin Luther, jährt es sich doch zum 500. Mal, dass der Augustiner-Mönch seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen haben soll.

Oberndorf. Wie es dazu kam und welche Folgen die Reformation gerade für Württemberg hatte, war Thema eines gut besuchten Vortragsabends in der Oberndorfer Stadtkirche. Referent war Hans-Dieter Frauer, einst Journalist beim Evangelischen Pressedienst im damaligen Regionalbüro Herrenberg.

Frauer brillierte mit großem Geschichtswissen und Detailkenntnissen. Er schilderte zunächst die gesellschaftspolitische Ausgangslage vor der Reformation: Die Kirche bestimmte in einem heute kaum mehr vorstellbarem Maß das Leben der Menschen. Sie glaubten, der Weg zum Heil führe ausschließlich über die Kirche. In den Jahrzehnten vor der Reformation kommen die Rosenkranz-Gebete neu in Mode, Wallfahrten nehmen explosionsartig zu, ein Kult um Schutzheilige greift um sich, die Marienverehrung nimmt geradezu abgöttische Züge an. Es gibt eine kirchliche Prachtentfaltung ohnegleichen. Das alles aber wird begleitet vom immer deutliche zu Tage tretenden Verfall der Amtskirche. Kirchliche Ämter werden gegen teures Geld verkauft, die Kirchenfürsten verstehen sich zuerst als weltliche Herrscher, das Papsttum erreicht ein schlechtes Ansehen. Das alles lässt den Ruf nach Reform der Kirche immer lauter erschallen.

Auslöser der Reformation wird ein theologisches Einzelproblem, der Ablass. Er versprach Nachlass zeitlicher Sündenstrafen – Gnade ist gegen Geld zu haben. Das geht dem Mönch Martin Luther gegen den Strich, so sehr, dass er sich gegen die kirchliche Obrigkeit auflehnt. Dem für ihn zuständigen Bischof Albrecht von Brandenburg schrieb er einen Brief mit seinen 95 Thesen und der Bitte um ein Gespräch (der Dienstweg wurde eingehalten, von Kirchenspaltung könne also keine Rede sein).

Das neue Medium Buchdruck verbreitete die Thesen schnell, die innerkirchliche Unruhe wuchs – Luther sollte beseitigt werden. Das klappte bekanntermaßen nicht. 1521 spricht der Papst den Bann über ihn aus, im gleichen Jahr verhängt der Reichstag gegen den widerspenstigen Einzelkämpfer das Wormser Edikt: Luther war vogelfrei, ein Todeskandidat. Der mit Kriegen viel beschäftigte Kaiser kann erst 1530 sich wieder dem Geschehen in seinem Riesenreich zu widmen. In dieser Zeit ist die evangelische Bewegung so stark geworden, dass man sie nicht mehr einfach verbieten kann. Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 wird das Luthertum verfassungsrechtlich anerkannt.

Das alles geschah außerhalb von (Alt-)Württemberg. Dessen Herzog Ulrich hatte es so ziemlich mit jedem verdorben, 1519 musste er ins Exil. Dort wandelte er sich zum evangelischen Christen. 1534 eroberte er sein Herzogtum zurück – der Anfang der Reformation in Württemberg. Ab jetzt steht das Wort im Mittelpunkt, die Kirchen werden äußerlich darauf ausgerichtet. Schmuck und Monstranzen verschwinden und damit auch alles, was nicht biblisch begründbar ist. Deshalb ist in diesem Landstrich die Fasnet ohne Tradition, weil sie abgeschafft wurde, betonte der Referent.

Württemberg wird eine evangelische Insel, umringt von altgläubigen Gebieten. Und entwickelt sich gerade deswegen zum Lutherstaat. Damit jeder selbst die Bibel lesen konnte, baute man das weltweit erste flächendeckende Schulnetz auf – ein entscheidender Schritt hin zum Volk der Dichter und Denker, siehe Schiller, Hegel, Hauff. Das evangelische Württemberg hatte die beste Pfarrerschaft im deutschsprachigen Raum und wird Zufluchtsland für evangelische Glaubensflüchtlinge aus aller Herren Länder. Nicht einmal die Kalenderreform des Papstes machte man mit, 200 Jahre lang gingen hier die Uhren anders.

Frauer ließ tiefsinnigen Humor erkennen und konnte sich auch gesellschaftskritische Ausflüge in die heutige Zeit nicht verkneifen. Der von der Christusbewegung Lebendige Gemeinde des Kirchenbezirks Sulz ausgerichtete Abend wurde moderiert von Marianne Dölker-Gruhler aus Marschalkenzimmern und Rolf Hölle, Bezirkssprecher der Lebendigen Gemeinde aus Leidringen. Die musikalische Umrahmung oblag dem Bläserteam des Kirchenbezirks unter Leitung von Daniel Bleibel aus Vöhringen.