Genau 70 Jahre her: Unter dem 9. Oktober 1945 ist ein Schreiben des "Gouvernements Militaire" archiviert. Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgermeister blickt in Ortsgeschichte: Die Chronik von Alfons Ritter ist ein Kleinod aus dem Nusplinger Archiv

Von Katja Weiger

Nusplingen. Wer wie Herbert Schäfer und Manfred Maute leidenschaftlich gern in der Nusplinger Ortsgeschichte forscht, kommt um eine besondere Chronik aus dem Gemeindearchiv nicht herum.

Diese Quelle ist ein unauffälliges, dickes, schwarzes Leinenbuch, das die Aufzeichnungen des einstigen Bürgermeisters Alfons Ritter enthält. Mit Hilfe einer mechanischen Schreibmaschine hat dieser alles festgehalten, was ihn während seiner Amtszeit von 1949 bis 1966 bewegt hat – in einer präzisen, schnörkellosen Sprache, aber dennoch mit hoher Datenfülle und unendlicher Liebe zum Detail.

Alfons Ritter, der zweite frei gewählte Nusplinger Rathauschef nach dem Zweiten Weltkrieg, liefert damit einen spannenden und höchstpersönlichen Blick über das Nusplingen während der Nachkriegszeit bis weit in die 1960er Jahre. Er schreibt, mit kleinen Kommentaren versehen, über besondere Ereignisse wie den Abbruch des alten Schulhauses und das Richtfest am heutigen Rathaus, beides 1961.

Das einstige Gemeindeoberhaupt befasst sich genauso mit der 60-Jahr-Feier des TSV Nusplingen im August 1958. Aus Anlass dessen hatten die Fußballer zu einem viel umjubelten Pokalturnier eingeladen. Und er erwähnt heiße Sommermonate mit unerträglicher Hitze, schneereiche Winter und sehr sonnenarme Frühjahre. Im Jahr 1964 widmet er sich dem 70. Geburtstag von Schwester Cythina aus dem Nusplinger Kindergarten. Eine kleine Kuriosität ist indes 1962 nachzulesen: eine Drillingsgeburt in einem Kuhstall. Die Kälber seien "mit recht gutem Appetit versehen" zur Welt gekommen. Dazu kommen freilich Zeitungsberichte über etliche Brandkatastrophen im Ort und Briefkorrespondenzen mit den Behörden, vor allem in der Nachkriegszeit. Unter dem Datum vom 9. Oktober 1945, also während der französischen Besatzung, ist beispielsweise ein Schreiben des "Gouvernements Militaire" archiviert, in dem es darum geht, dass Bürgermeister und deutsche Polizisten unverzüglich "Verbrechen oder strafbare Handlungen" der Militärbehörde in Balingen zu melden hätten – bei unmissverständlicher Androhung von Strafe selbstverständlich.

Herbert Schäfer, der bei seinen eigenen Recherchen genau wie Manfred Maute gern in diesen Aufzeichnungen blättert, denkt gern an diesen fleißigen Chronisten zurück. "Bürgermeister Ritter war ein akribischer Arbeiter, stets korrekt und überaus sparsam", verrät er.

Finanzielle Wünsche wiegelte er ab

Schäfer hat jenen Rathauschef in seiner Zeit als junger Nusplinger Schullehrer kennen und schätzen gelernt. An eines erinnert er sich besonders gut. Sei jemand mit dem Wunsch nach offenkundiger finanzieller Unterstützung in die bürgermeisterliche Amtsstube getreten, habe Alfons Ritter stets mit hoch erhobenen Armen ausgerufen: "Wo kämen wir da hin!"