Herbstkonzert: Musikverein Unterdigisheim hebt an genussreichem Abend den besten, selbst gekelterten Wein bis zum Schluss auf

Das soll ein Dorforchester sein? Das Aktivenorchester des Musikvereins Nusplingen hat mit seinem Herbstkonzert seine ganze Klasse bewiesen und ist erfolgreich nach Perlen getaucht.

Von Karina Eyrich

Nusplingen. Vor allem auf die "Legenden der Musik" hatten sich wohl alle Besucher gefreut, als sie zum Herbstkonzert des Musikvereins Nusplingen kamen. Der Findigkeit von Orchesterchef Franz Dett und der großen Klasse seiner aktiven Musiker – nicht weniger als 63 – war es jedoch zu verdanken, dass sie Werke des jungen schweizer Komponisten Mario Bürki zu hören bekamen, die als Perlen der konzertanten Blasmusik gelten dürfen.

Entsprechend anspruchsvoll sind der JBW-March, "Napoléon" mit Elementen der Marseillaise, das Stück "Von Rast und Hektik" und "Children of the Amazonas", deren Entstehungsgeschichte Manuel Schilling, mit viel Humor gewürzt, erklärte. Genau das jedoch gab Franz Dett und dem Aktivenorchester die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie das Niveau eines Dorforchesters längt aufwärts verlassen haben. Die Produktion mal stakkatoartiger, mal rollender Töne, flirrender Musik, leichtfüßig tanzender Percussionklänge, mal in polyphoner Fülle, mal aus einzelnen Instrumentenstimmen, gelang den Musikern in höchster Präzision. Jede Instrumentalgruppe brachte souverän und selbstbewusst eine andere Farbe ins Spiel. Nicht nur die enorm stark besetzten Klarinetten, sondern auch die vergleichsweise lichter besetzten Saxofone und Hörner, die einen Schuss Alphorn-Sound hineinbrachten, sowie die Tuben, die am Rand der Bühne wechselweise gespenstische Stimmung herbeibliesen oder für eine humorvolle Note sorgten.

Auch im zweiten Teil saß jeder Ton perfekt – in diesem Fall besonders wichtig, kennt doch jeder die Werke von Glenn Miller, Udo Jürgens und Ernst Mosch. Die bekanntesten Stücke der Big-Band-Legende habe ein "durchgeknalltes japanisches Genie", Naohiro Iwai, arrangiert, und die Nusplinger Musiker dankten es ihm mit spritziger, schwungvoller Umsetzung im besten Big-Band-Sound.

Das Querflötensolo verursacht Gänsehaut

Von Udo Jürgens hatten sie sich ein Arrangement von Walter Ratzek mit bekannten und weniger bekannten Werken ausgesucht, verbunden durch originelle Brücken und mit fantastischen Soli garniert. Das Querflötenspiel bei "Ihr von morgen" verursachte Gänsehaut.

Ob Franz Dett, wie bei der biblischen Hochzeit von Kanaan, den besten Wein bis zum Schluss aufgehoben hatte: Es ist Geschmacksache. Wer traditionelle Blasmusik mag, den konnte das Ernst-Mosch-Medley vom Stuhl reißen, und alle anderen merkten zumindest, dass es nicht nur erstklassig umgesetzt, sondern auch hervorragend arrangiert war: von Franz Dett persönlich. Der Dirigent hatte sichtlich Spaß, seinen Musikern den Egerländer-Sound zu entlocken. Wie der Mann überhaupt ein Orchesterchef mit viel Herzblut ist. Spürbar war das bereits beim Auftritt der Jugendkapelle, die mit der "Kilkenny Rhapsody" von Kees Vlak zu Beginn eine Schatzkammer irischer Klänge öffnete, verblüffend authentisch Hornpipes nachahmte und mit Musik melancholischen Nebel, galoppierende Reiter und die Landschaft der grünen Insel vor dem inneren Auge entstehen ließ. Dass Dett auch an rockiger Musik viel Freude hat, wenn nur das Orchester so motiviert ist wie die Jugendkapelle, wurde beim Medley "Eine kleine Rockmusik", einem Mix aus konträren Stilrichtungen von Mozarts kleiner Nachtmusik bis "You Lost That Lovin’ Feeling", sowie beim "Dance Fever"-Medley mit dem Sound der 1970er-Jahre offenbar.

Luft nach oben ist kaum noch vorhanden

Der Applaus nach zweieinhalb Stunden jedenfalls zeigte Franz Dett und den Musikern, dass sie alles haben – außer Luft nach oben.